Artenschwund durch industrielle Landwirtschaft
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Teilnehmende beim Ackerschnack: Sebastian Strumann, NABU-Bundesverband; Bruno Scheel, NABU Niedersachsen; Bernd Lange, MdEP; Gisela Wicke, Vorstand NABU Niedersachsen; Dr. Peter Best, Vorstand NABU Niedersachsen (vlnr) - Foto: Mareike Sonnenschein
1. September 2020 - Die derzeit heiß umkämpfte Reform der EU-Agrarpolitik und ihre Auswirkungen auf die Region waren am vergangenen Freitag Thema in Auetal. Dabei wurde klar: Die Entscheidung über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) mag in Straßburg und Brüssel fallen – ihre Auswirkungen werden jedoch für Mensch und Natur hier in Niedersachsen bedeutsam sein.
„Die EU-Agrarpolitik hat entscheidenden Einfluss auf das Landschaftsbild und die Artenvielfalt, auf die Grundwasserqualität und die Klimagasemissionen – aber auch ganz besonders darauf, ob wir endlich das Höfesterben stoppen können und Familienbetriebe ihr Einkommen über eine umweltgerechte Wirtschaftsweise sichern können“, sagte Gisela Wicke, Vorstandsmitglied des NABU Niedersachsen. Die Agrarpolitik gehe daher nicht nur Landwirte etwas an, sondern die ganze Gesellschaft. Zumal die EU für keinen anderen Politikbereich so viele Steuergelder ausgibt – derzeit 58 Milliarden Euro pro Jahr und damit ca. 40 Prozent des gesamten Haushaltes.
„Gerade hier im ehemals landwirtschaftlich dominierten Auetal sieht man, wie stark die Anzahl an Betrieben in der Vergangenheit zurückgegangen sind und dies hat nichts mit dem Naturschutz zu tun, sondern mit der aktuellen Agrarpolitik nach dem Motto „wachse oder weiche“. Ob zukünftig auf den Wiesen, Weiden und Äckern mit einer möglichst großen Vielfalt an landwirtschaftlichen Betrieben noch Feldlerchen singen, Wildbienen summen und Feldhasen hoppeln, entscheidet sich maßgeblich daran, wie die EU die neue GAP ausgestaltet“, so Wicke.
„Der NABU hat hier im Westlichen Weserbergland ein gutes Projekt auf die Beine gestellt. Hier gelingt unter schwierigen Bodenverhältnissen erfolgreiche ökologische Land- und Weidewirtschaft. Das Engagement des NABU und die beobachtete Artenvielfalt haben mich sehr beeindruckt“, so Bernd Lange. „Wir brauchen dringend eine GAP-Reform, die EU-Förderungen an klare Kriterien knüpft und nachhaltige Landwirtschaft fördert. Der Niedersächsische Weg ist eine gute Initiative von Landwirtschaft, Naturschutz und Politik. Solche innovativen Projekte müssen stärker als bisher von der EU unterstützt werden“, betonte Lange.
Bei Raden im Süntelvorland hat der NABU im Rahmen eines bundesweiten Großprojektes 13,8 ha landwirtschaftliche Fläche gekauft und lässt sie dort kooperativ in erster Linie von einem konventionellen Landwirt durch Beweidung bewirtschaften. Ein kleiner Teil der Fläche wird von einem Ökobetrieb als Acker genutzt. Sowohl auf den Weiden als auch auf dem Acker befinden sich mittlerweile wieder viele Arten, die ursprünglich im Süntelvorland weit verbreitet und häufig waren, zwischenzeitlich aber direkt vor dem Aussterben standen. Das Beispiel zeigt, dass eine Lebensmittelproduktion und die Herstellung und Förderung von artenreichen Lebensräumen Hand in Hand gehen kann. Damit dieses Erfolgskonzept von möglichst vielen Betrieben übernommen werden kann, muss aber die Attraktivität für Landwirte über die Änderung der Agrarpolitik gesteigert werden.
Arten der Agrarlandschaft sind stark gefährdet
Die aktuelle GAP läuft Ende 2020 turnusmäßig aus und wird daher derzeit neu verhandelt. Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass sie bislang in vielerlei Hinsicht mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. So befinden sich vor allem die Bestände der Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaften seit Jahren im Sinkflug. Von den Agrarvögeln, die es in Deutschland vor 35 Jahren noch gab, fehlt inzwischen jeder dritte. Fatal ist die Lage bei Kiebitz ( 93 %), Rebhuhn (- 91 %), Turteltaube (- 89 %) und vielen weiteren Arten.
Die EU schüttet den größten Teil der Gelder mittels der so genannten Direktzahlungen ohne nennenswerte Auflagen an Landwirte aus. Die Höhe dieser Fördergelder bemisst sich dabei lediglich an der Größe der bewirtschafteten Fläche. Was der Betrieb anbaut und wie er wirtschaftet, ist zunächst egal. Die Folge: Je größer der Betrieb, desto mehr Gelder erhält er. „Das ist nicht nur oft ökologisch fatal, sondern auch sozial ungerecht und ökonomisch unsinnig“, meinte Sebastian Strumann, Campaigner beim NABU.
Mehr Raum für Natur und mehr Geld für nachhaltige Landwirtschaft
Die EU habe es jetzt in der Hand, mit der neuen GAP umzusteuern. „Was wir brauchen, ist wieder mehr Platz für die Natur, also Wildpflanzen und -tiere in der Agrarlandschaft – mindestens 10 Prozent auf jedem Betrieb. Außerdem braucht es auch mehr Geld für eine naturverträgliche Landwirtschaft. Mittelfristig muss die EU wegkommen von der gießkannenartigen Subventionierung nach Fläche, hin zu einer Förderung einer Landbewirtschaftung, die einen Nutzen für alle bringt – etwa indem sie Natur und Klima schützt und gesunde Böden und Gewässer fördert“, sagte Strumann.
An Bernd Lange richteten die Vertreterinnen und Vertreter des NABU die Bitte, sich jetzt im EU-Parlament für eine nachhaltigere Agrarpolitik einzusetzen.
Die Kritikpunkte an der der aktuellen GAP und Forderungen des NABU an eine neue Agrarpolitik finden Sie im Internet unter www.NABU.de/GAP.
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