Naturschutzklage der EU gegen Deutschland
Die EU-Kommission hat am 18. Februar gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Klage eingereicht. Mehr →
Pfeifengraswiese - Foto: Michael Steven
25. Februar 2022- Am heutigen Freitag äußerte sich Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies zur Klage der EU-Kommission vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH). Hintergrund ist das Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Sicherung und Maßnahmenfestsetzung von Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) in Niedersachsen. Die notwendige Überführung der gemeldeten Gebiete in nationale Schutzkategorien verlief im Land über viele Jahre nur schleppend und unzureichend.
In der Klageschrift werden zum Stand 13. Juni 2020 die bis dahin nicht gesicherten 88 Gebiete sowie deren fehlende Feststellung von spezifischen Erhaltungszielen kritisiert. Diese seien laut Umweltminister Lies mittlerweile aber abgeschlossen.
Darüber hinaus bestände in allen Ländern ein allgemeiner und struktureller Verstoß bei der Festlegung von Erhaltungszielen: Die Ziele der jeweiligen Gebiete seien nicht hinreichend quantifiziert und messbar und es werde nicht ausreichend zwischen Erhaltung und Wiederherstellung differenziert. Zudem stellt die EU-Kommission das von Bund und Ländern priorisierte Prozedere der zweistufigen Konkretisierung der Erhaltungsziele, welches zuerst eine Sicherung und erst im zweiten Schritt die Erstellung von Managementplänen vorsieht. Der EUGH müsse nun also entscheiden, ob konkretisierte und quantifizierte Erhaltungsziele, wie von der EU-Kommission gefordert, rechtliche Verbindlichkeit erhalten und somit in einem Vorgang umgesetzt werden müssen.
In der Klageschrift werden außerdem fehlende Festlegungen von Erhaltungs- und Managementmaßnahmen genannt, allein in Niedersachsen wurden im Juni 2020 für über 330 Gebiete noch keine Maßnahmen festgelegt, noch heute bestehen für 48 Teilgebiete keine fertig gestellten Managementpläne.
Die EU-Kommission sieht bundesweit eine fehlenden Quantifizierung und Konkretisierung der Erhaltungsziele und schlussfolgert, dass die Maßnahmen nicht den Anforderungen der FFH-Richtlinie genügten und die Festlegung eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung der Managementmaßnahmen sei.
NABU Niedersachsen sieht auch weiterhin dringenden Handlungsbedarf
Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, sieht sich bestätigt: „Wir haben uns lange und deutlich dafür eingesetzt, dass auch in Niedersachsen – als eines der letzten Bundesländer – die europarechtlichen Verpflichtungen ernst genommen und entsprechend umgesetzt werden. Dies hätte ursprünglich bis 2014 erfolgen sollen! Die Klageschrift zeigt nun, dass das bisherige Vorgehen Niedersachsens – aber auch des Bundes und der anderen Länder – so nicht richtig war und zu kritisieren ist. Die noch immer ausstehenden Teilgebiete ohne Managementplan machen deutlich, dass auch weiterhin dringend Handlungsbedarf besteht!“
Die Bestätigung, dass die Maßnahmen nicht dem Anspruch der FFH-Richtlinie gerecht werden, sei ein Armutszeugnis für die niedersächsische Landesregierung, so Dr. Buschmann. „Nur die Sicherstellung schützenswerter Gebiete mit Quantifizierung von konkreten Erhaltungszielen und Managementplänen kann dazu beitragen, die entsprechenden Arten und Lebensräume zu erhalten. Der Großteil der Arten und Lebensräume ist mittlerweile in einem ungünstigen oder schlechten Erhaltungszustand mit weiterer Tendenz nach unten – wir befinden uns weltweit in einer für uns Menschen lebensbedrohlichen Artenkrise, gegen die so schnell wie möglich vorgegangen werden muss!“
Der NABU Niedersachsen fordert daher auch weiterhin mehr Einsatz in der Umsetzung von Natura 2000 und sieht folgende Punkte als absolut notwendig an:
Hintergrund: Was ist NATURA 2000?
Am 25. Februar 2022 feiern die EU-Mitgliedstaaten das 30-jährige Bestehen des Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000. Seitdem sind die europäischen Länder dabei, den Schutzgebietsverbund Natura 2000 nach den Vorgaben der FFH-Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie aufzubauen. Die genannten EU-Richtlinien sind wesentliche Umsetzungsinstrumente der europäischen Biodiversitätsstrategie, die das Ziel hat, den Verlust der Artenvielfalt in Europa einzudämmen. Das Schutzgebietsnetz nimmt mittlerweile ein Fünftel der EU-Landfläche ein und ist damit das größte ökologische Schutzgebietssystem der Welt.
Die FFH-Richtlinie wurde zusammen mit dem LIFE-Programm, dem einzigen direkten Finanzinstrument der EU für Umwelt- und Naturschutzprojekte, am 21. Mai 1992 von den EU-Mitgliedstaaten zum Schutz der biologischen Vielfalt beschlossen. Seitdem hat es einen bedeutenden Beitrag für den Schutz von Arten und ihren Lebensräumen geleistet. Die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie sind das Rückgrat des Naturschutzes in der EU und vor allem in Niedersachsen. Biber, Kranich, Seeadler und viele andere Arten verzeichnen dank ihres EU-weiten Schutzes sogar Bestandszunahmen. Auch für viele Lebensräume, wie Moore und Heidelandschaften seien Schutzgebiete eingerichtet worden.
Die EU-Kommission hat am 18. Februar gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Klage eingereicht. Mehr →
Der NABU hat gegen Deutschland eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Es geht um den dramatisch schlechten Zustand der Rebhuhnbestände. Mehr →
Deutschland wird erneut vor dem Europäischen Gerichtshof angeklagt. Es geht um den unzureichenden Erhalt von artenreichen Mähwiesen in FFH-Gebieten. Mehr →