Willkommen Wolf – auch in Niedersachsen!
Eine Erfolgsgeschichte des NABU, des Naturschutzes, der Vernunft – und ein noch langer, holpriger Weg

Ein Blick zurück ins Jahr 2012:
Wie eine Schockwelle ging an diesem Dezemberabend des Jahres 2007 die Nachricht durch die Nacht – von Naturschützer zu Naturschützer, von Nachrichtenagentur bis Zeitungsredaktion: Es hatte geknallt. Ein Wolf war geschossen worden – in Lüchow-Dannenberg! Der Schock saß tief. Kaum waren – nach fast hundertfünfzig Jahren, nach Jahrhunderten der Verfemung, der geschürten Angst und des Hasses - die ersten Wölfe aus Ostdeutschland auch auf niedersächsischen Boden gekommen, da wurde bereits die Flinte angelegt. So richtig verwunden hat man den Schock bis heute nicht, auch, wenn der Jäger eine Strafe zahlen musste.
Dabei hatte alles so verheißungsvoll begonnen: Der Wolf zog seine Fährte zunächst durch Brandenburg, dann durch weitere Bundesländer östlich der Elbe. Schon darin lag eine Sensation: Galt er doch als ausgerottet, ein Beutegreifer, von dem man selbst in Naturschutzkreisen viele Jahrzehnte nur träumen konnte. Allenfalls sah man ihn im Zoo, im Wildgehege, oder in Nationalparks anderer Länder. Der Wolf! Bei uns! In Niedersachsen! Eine Erfolgsgeschichte – vergleichbar höchstens mit der Rückkehr des Braunbären in Teilen der Alpen, des Seeadlers in einigen Teilen Norddeutschlands und des Wanderfalken. Die Freude war und ist beim NABU groß, denn der Wolf hat Zukunft, auch in Niedersachsen!
Heute sind mindestens drei freilebende Wölfe, von denen berichtet wird, in Niedersachsen unterwegs – wahrscheinlich noch mehr Tiere. So wurde im Juni 2012 über zwei Sichtungen vom Truppenübungsplatz Munster berichtet, einem idealen Lebensraum, denn Wölfe haben einen riesigen Revierbedarf. Auch in Lüchow-Dannenberg gab es eine Sichtung, im Mai 2011 wurde die Wölfin Zora entdeckt, die aus einem in Sachsen-Anhalt lebenden Wolfsrudel stammt. Eines ist dabei sicher: Der Wolf befindet sich, wie Biologen formulieren, „in steter Westausbreitung“, ursprünglich aus Polen kommend. Erst das Ende der DDR ließen ihm die Chance, weiter nach Westen zu gelangen.
Dass sich die Erkenntnis mittlerweile durchgesetzt hat, dass der Wolf kein großmütter- und rotkäppchenfressendes Unwesen ist, ist nicht zuletzt dem NABU zu verdanken, der mit seinem groß angelegten Projekt ‚Willkommen Wolf’ von Anfang an Kärrnerarbeit leistete: Öffentlichkeitsarbeit.
Dass diese dringend vonnöten ist, zeigt sich auch in Niedersachsen, nicht zuletzt anhand der zahlreichen Anfragen, die den NABU-Landesverband erreichen. Allerdings dürfte es sich inzwischen herumgesprochen haben, dass der Mensch nicht auf dem ‚Speisezettel’ des Wolfs steht, und dass es die Möglichkeit gibt, Schafherden zu schützen - etwa durch Herdenschutzhunde oder wolfssichere, mobil aufzustellende Zäune, die Schafsverluste enorm verringern.
Und noch etwas ist sicher: Die Westausbreitung des Wolfes, der bereits in immer mehr Bundesländern aufgetaucht ist, ist noch lange nicht vorbei! Niemand kann heute freilich orakeln, wann er seine Fährte durch welche Landschaft Niedersachsens zieh. Wird er in zehn oder zwanzig Jahren auch durch andere Bereiche unseres Bundeslandes streifen, vielleicht seine Pfote ins Ochsenmoor, an die Gestade des Dümmers, in Emsländer Moore oder das Weserbergland setzen? All das erscheint nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich! Derzeit befinden sich im Großraum Lüneburger Heide ein Männchen und ein Weibchen, die unterschiedlichen Eltern entstammen, also nicht eng verwandt sind. Treffen und ‚verlieben‘ sie sich, wird in Niedersachsen das erste Wolfsrudel in den alten Bundesländern entstehen.
Landesarbeitsgruppe Wolf
Grund genug für den NABU, diese Entwicklung aufmerksam zu beobachten – und beratend zur Seite zu stehen. „Wir müssen bereits heute Antworten geben können“, sagt Helmut Weiß, der die inzwischen über 70 ehrenamtliche Mitglieder starke NABU-Landesarbeitsgruppe (LAG) Wolf als Sprecher leitet. „Niemand hätte zweierlei für möglich gehalten: dass die Rückkehr des Wolfes so schnell auch nach Niedersachsen erfolgen würde, und dass er auf eine so große, positive Resonanz in der Bevölkerung stößt!“ Auch daraus erklärt er sich den ungeheuren Zulauf zur LAG Wolf. „Es gibt geradezu ein sprühendes Interesse der Ehrenamtler, sich einzubringen!“, freut sich der Bad Gandersheim.
Die Aktivitäten der NABU-LAG Wolf sind entsprechend vielfältig: Von Beratung aller Interessenten bis zu spezieller Klientel über Gruppentreffen, Seminaren, bis zu Stellungnahmen. „Der Weg ist noch lang für den Wolf. Aber er wird beschritten, wenn er auch manchmal holprig und schwierig sein mag. Wir sind es diesem verfemten Säugetier schuldig, das zu unserer heimischen Tierwelt gehört wie Feldlerche, Igel und Reh“, sagt Dr. Holger Buschmann, NABU-Landesvorsitzender. „Der NABU wird diesen Weg gehen. Für den Wolf!“