Zwischenzeugnis für die Umwelt- und Naturschutzpolitik in Niedersachsen
Blauer Brief für die Landesregierung


1) Umwelt und Naturschutz
Wolf – Schlingern zwischen Entnahme und Herdenschutz: 3- (genügend mit abnehmender Tendenz)
Beim Thema Wolf ist Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies gut gestartet: Innerhalb der Richtlinie Wolf wurde die gesamte Landesfläche Niedersachsens zur Förderkulisse erklärt, sodass Herdenschutzmaßnahmen flächendeckend gefördert werden. Zusätzlich können nun auch Hobbyhalter von den Förderungen profitieren. Weiterhin hat sich Lies dafür eingesetzt, dass künftig nicht nur 80 Prozent, sondern bis zu 100 Prozent der Maßnahmen gefördert werden können. Dies ermöglicht eine gesteigerte Akzeptanz des Wolfs, so dass Weidetierhalter entlastet und ihr unverzichtbarer, naturschutzfachlicher Beitrag zur Pflege von wichtigen Biotopen erhalten werden kann. Allerdings wurde seitens des Umweltministers, gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Sachsen, ein Antrag zum Umgang mit dem Wolf in den Bundesrat eingebracht, bei dem der Fokus auf den Schutzstatus und die leichtere Entnahme von Wölfen liegt. „Erleichterte Entnahmen bringen keinerlei Gewinn beim Herdenschutz und das sollte den Tierhaltern und der Gesellschaft auch nicht vorgegaukelt werden“, so Dr. Holger Buschmann. „Klare Kante, wie von Herrn Lies gefordert, kann nur über die strikte Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen gezeigt werden. Nicht dadurch, eine Abschussquote für Wölfe von jährlich 10 Prozent zu fordern, was aufgrund von unkontrollierten Eingriffen in Rudelstrukturen zu erhöhten Nutztierrissen führen würde.“
Insektensterben – Aktiv Handeln anstatt Kampagne: 4 (ausreichend)
Bei der Bekämpfung des Insektenrückganges hat sich seit Mai 2018 nur wenig getan: Das „Aktionsprogramm zur Förderung der Insektenvielfalt“ ist noch in Arbeit, das „Sofortprogramm zur Rückgewinnung und Entwicklung öffentlicher Wegraine als Lebens- und Rückzugsraum für Insekten“ lieferte bisher keine nennenswerten Erfolge und auch das „umfangreiche Insektenmonitoring“ ist noch nicht gestartet. Der Antrag der Fraktionen von CDU und SPD „Artensterben aufhalten – Insekten schützen“ wurde am 15. November 2017 vom Landtag beschlossen. „Jetzt ist die Landesregierung in der Pflicht, die geforderten Punkte zügig umzusetzen“, bringt es Dr. Buschmann auf den Punkt.
Natura 2000 – Enorme Bußgelder drohen dem Land: 5 (mangelhaft)
Eines der größten Aufgabenfelder wartet noch immer auf Fertigstellung: die Natura-2000-Gebiete müssen bis Jahresende hoheitlich gesichert sein. Eine Mammutaufgabe, an der bereits Lies' Vorgänger gescheitert sind. Zwar geht ein Großteil der bisherigen Versäumnisse auf die vorherigen Schwarz-Gelben Landesregierungen zurück, doch auch Rot-Grün hat sich in jüngerer Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Die Vogelschutzrichtlinie besteht seit 1979, die FFH-Richtlinie seit 1992 – die niedersächsischen FFH-Gebiete hätten zum Teil bereits Ende des Jahres 2010, ein weiterer Teil spätestens Ende 2013 formal gesichert sein müssen. Ein dringender Grund zu handeln. Nun drohen ab dem kommenden Jahr Strafzahlungen aus Brüssel. Umweltminister Olaf Lies reiste extra nach Brüssel, um eine Fristverlängerung zu erwirken. „Der NABU wies bereits seit Jahren auf die vielen Missstände und die hohen finanziellen Risiken hin, die mit der zögerlichen Umsetzung von Natura 2000 verbunden sind“, so Dr. Holger Buschmann. Anstatt daraufhin sofort kräftig in den Naturschutz zu investieren, wurde mit den Landkreisen, deren Untere Naturschutzbehörden seit Abschaffung der Bezirksregierungen für die Umsetzung von Natura 2000 zuständig sind, vereinbart, dass bis Ende 2018 alle FFH-Gebiete in nationales Recht überführt werden und bis 2020 alle Managementpläne erstellt werden. „Dieses Ziel wird deutlich verfehlt“, resümiert Dr. Buschmann. „Anstatt mit diesem Wissen umgehend finanzielle Mittel zur Erledigung dieser Pflichtaufgaben bereit zu stellen, werden von der Landesregierung dramatisch unterfinanzierte Naturschutzbehörden und ein sich immer weiter verschlechternder Naturzustand selbst in den meisten Schutzgebieten akzeptiert. Nicht einmal ein kleiner Teil der Bußgelder aus dem Dieselskandal wird dazu verwendet, das Land und damit den Steuerzahler vor hohen Strafzahlungen der EU wegen dieses Vertragsbruchs zu bewahren.“
2) Landwirtschaft und Naturschutz
Landwirtschaft – Ja und Nein zu Glyphosat: 5 (mangelhaft)
Nach der Entscheidung der EU, die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat zur Unkrautbekämpfung um fünf Jahre zu verlängern, hat Umweltminister Olaf Lies die erneute Zulassung des Wirkstoffes als „falsches Signal“ bezeichnet. Entscheidender ist allerdings die Äußerung seiner federführenden Kollegin, der Niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast, welche dagegen ihre grundsätzliche Zustimmung zu der Verlängerung äußerte. Der NABU Niedersachsen begrüßt die klare Aussage des Umweltministers, kritisiert allerdings vehement die Haltung der Landwirtschaftsministerin. „Glyphosat trägt zum Rückgang der biologischen Vielfalt bei durch die Vernichtung von Blütenpflanzen. Denn damit gehen der Verlust von Nahrungsquellen und Lebensräumen einher“, erklärt Dr. Holger Buschmann.
Jagd – Jagdpachtverträge sind Bankrotterklärung an Nationalpark: 6 (ungenügend)
Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mit der Verlängerung der Jagdpachtverträge auf landeseigenen Flächen auf den Ostfriesischen Inseln die Vogeljagd im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer für weitere neun Jahre zugelassen. „Es ist ungeheuerlich, dass Frau Otte-Kinast die Freizeitjagd auf Vögel im Nationalpark Wattenmeer für weitere Jahre nicht nur erlaubt, sondern sogar ausgeweitet hat, anstatt mit dem Auslaufen der Jagdpachtverträge die Gelegenheit zu nutzen, endlich – nach 32 Jahren – die international geltenden Kriterien für Nationalparks einzuhalten“, bilanziert Dr. Holger Buschmann. Die Domänenflächen im Nationalpark seien unverzüglich der Nationalparkverwaltung zu unterstellen, fordert der NABU. „Nur so kann sichergestellt werden, dass Schutzkriterien für gefährdete Vogelarten im Nationalpark Wattenmeer Vorrang erhalten vor dem Jagdvergnügen einiger weniger“, ergänzt Dr. Buschmann. Auch Umweltminister Olaf Lies äußerte öffentlich scharfe Kritik an dem Vorgehen seiner Kollegin.
3) Wirtschaft und Naturschutz
Außenems – Vertiefung verschlechtert Gesundheitszustand der Ems: 6 (ungenügend)
Die Ems befindet sich in einem schlechten ökologischen Erhaltungszustand. Niedersachsen ist verpflichtet, diesen nachhaltig zu verbessern. So verlangt es die europäische Gesetzgebung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Auch die Meeresstrategierichtlinie und die Vogelschutzrichtlinie sind zu beachten. Eine weitere Flussvertiefung würde dagegen die Situation verschlechtern und durch einen größeren Unterhaltungsaufwand zu noch mehr Baggerungen führen. Umweltminister Lies verkündete im August, dass mit einer ökologischen Strategie zum Sedimentmanagement die Außenems ohne größere Umweltschäden vertieft werden könne. Die niedersächsischen Umweltverbände lehnen Pläne zu einer erneuten Vertiefung der Außenems strikt ab und kritisieren die Position des niedersächsischen Umweltministers als Augenwischerei: „Ein Stopp der Verklappungen sowie eine neue, sinnvolle Verwendung von Baggergut ist richtig und überfällig. Dies allein wird den schlechten ökologischen Erhaltungszustand der Ems jedoch nicht ausgleichen. Es ist absurd, daraus die angebliche Unbedenklichkeit einer weiteren Vertiefung abzuleiten. Der Gesundheitszustand der Ems wird sich mit jeder weiteren Flussvertiefung verschlechtern.“
Kalibergwerk Siegfried K&S: 6 (ungenügend)
Irritiert zeigten sich die Naturschützer ob der Einmischung von Olaf Lies in das Genehmigungsverfahren für die Reaktivierung des bereits stillgelegten Kalibergwerkes Siegfried der Firma K+S im Landkreis Hildesheim. Die geplante Wiederinbetriebnahme des Rohsalzabbaus wird von K+S mit der wachsenden Nachfrage nach Düngemitteln begründet. Und das, obwohl die Überdüngung in Niedersachsen in Form von Nitraten bereits den überwiegenden Teil des oberen Grundwassers erreicht hat und unsere Trinkwasserversorgung künftig gefährden wird. Dass die Reaktivierung zudem mit einer schädlichen Salzzufuhr in die nahegelegene Innerste verbunden ist und die Kreistagsabgeordneten berechtigterweise Bedenken gegen die Wiederinbetriebnahme haben, scheint Umweltminister Olaf Lies nicht zu kümmern. „Mit der Aufforderung an die Kreisverwaltung, der Reaktivierung zuzustimmen, agiert Lies im Sinne eines Konzerns, der ganz selbstverständlich der Umwelt schadet, um Gewinne zu machen. Damit verspielt Olaf Lies nicht nur das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit gegenüber den Umweltverbänden, sondern auch gegenüber der Bevölkerung, der er ein ‚lebenswertes Niedersachsen‘ versprochen hat“, so Dr. Holger Buschmann.
Fazit
Die Niedersächsische Landesregierung zeigte im ersten Jahr im Durchschnitt mangelhafte Leistungen beim Schutz der niedersächsischen Natur. Wirtschaftsinteressen hatten selbst im Umweltministerium Vorrang. Der NABU Niedersachsen sieht daher nicht nur großes Entwicklungspotential, sondern die Verpflichtung, sich umgehend für den Erhalt der Lebensgrundlagen einzusetzen. Im Natur- und Umweltschutz ist die Versetzung der Landesregierung daher definitiv gefährdet.