Kitesurfen entwertet Dümmer für Wasservögel
Naturverträgliche Tourismus-Offensive ja, Durchmarsch nein!



Der Teichrohrsänger ist ein Brutvogel im Naturpark Dümmer. - Foto: Frank Derer
26. November 2018 - Seit 2011 arbeiten Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, alle relevanten Interessenverbände, Fachbehörden, Landkreise und Anliegergemeinden im Dümmer-Beirat konstruktiv zusammen, um die Dümmersanierung zum Erfolg zu führen. Mit den Jahren hat der regelmäßige Austausch der Argumente für die jeweilige Sicht der unterschiedlichen Interessengruppen zu einem respektvollen Umgang miteinander geführt. Bei den Empfehlungen des Dümmer-Beirats konnte man zunehmend eine Leitlinie erkennen, die der ehemalige Niedersächsische Ministerpräsidenten Dr. Ernst Albrecht in den Mittelpunkt der Dümmerkonferenz von 1985 gestellt hatte: Es ist immer eine Frage des rechten Maßes.
Aus diesem Grund konnte sich der Dümmer-Beirat in seiner letzten Sitzung auch nicht zu einem einstimmigen Beschluss für das Kitesufen auf dem Dümmer durchringen. Am kommenden Mittwoch, den 28. November 2018, wird nun das Thema „Kitesurfen auf dem Dümmer“ im Landtagsausschuss Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz erörtert.
„Der aktuell massiv nach vorne geschobene Wunsch, den See für das Kitesurfen freizugeben, verlässt das "rechte Maß"“, erläutert Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. In regelmäßigen Abständen haben alle Landesregierungen Kitesurf-Anträge auf dem Dümmer geprüft und abschlägig beschieden, zuletzt im Jahr 2016. „Die Gründe dafür bestehen nach wie vor“, so Dr. Buschmann. „Der Dümmer ist Bestandteil des europäischen Schutzgebietssystems NATURA 2000. Aus diesem Grund werden die Argumente der Vogelschutzwarte und des NLWKN bezüglich der Einschätzung des Kitesurfens einen großen Stellenwert haben“.
Kitesurfen beeinträchtigt Wasservögel
Verschiedene Gutachten belegen bereits heute den starken Scheucheffekt auf Wasservögel, der durch die Kiteschirme verursacht wird. Durch die geringe Größe des Sees würde eine Freigabe für Kiter voraussichtlich nahezu die gesamte Seefläche für Wasservögel entwerten. Dies dürfte nicht mit den Vorgaben für das EU-Vogelschutzgebiet vereinbar sein. Der See hat über die Jahre an Bedeutung für Wasservögel zugenommen. Heute erreichen viele Arten deutlich höhere Anzahlen als noch vor 10 oder 20 Jahren und nutzen den See auch über den Sommer als Rast- und Nahrungsgebiet. Dies steht u.a. im Zusammenhang mit dem mittlerweile regelmäßig auftretenden Wasserpflanzenbestand.
„Wir sind überzeugt davon, dass der Dümmer für das gefahrlose und zugleich naturverträgliche Kitesurfen einfach zu klein ist“, fasst Dr. Buschmann zusammen. Nach Erfahrungen mit dem Kitesurfen am Steinhuder Meer sind sogar noch weitere Bedenken hinzugekommen: Grundsätzlich sind Surfen und Kiten zwei unterschiedliche Sportarten im Besonderen auf ihr Gefahrenpotenzial bezogen. Das gemeinsame Surfen und Kiten ist in fast allen Revieren Europas durch behördliche Erlasse geregelt worden. Der Grund ist bekannt und durch sehr viele, auch tödliche, Unfälle dokumentiert. Die Ursache liegt in den hohen Aufprallgeschwindigkeiten beider Sportarten.
Zusätzlich benötigt der Kiter bei der Ausübung seiner Sportart, aufgrund der langen Leinen, wesentlich mehr Raum als andere Wassersportler. Am Steinhuder Meer musste zudem ein Ranger eingestellt werden, um das Kitesurfen in geregelten Bahnen zu halten. Dennoch gab es eine Vielzahl von Verstößen. Außerdem löst sich in schwierigen Situationen der Schirm eines Kiters und landet nicht selten im Naturschutzgebiet, wo es zu weiteren Beeinträchtigungen von Flora und Fauna kommt.
NABU befürchtet, dass Dümmersanierung insgesamt in Gefahr gerät
Auch befürchtet der NABU eine erneute Diskussion darüber, den mühsam errungenen Kompromiss der Winterbefahrensregelung wieder aufzuschnüren und damit Kräfte zu binden, die dringend gebraucht werden, um die Seesanierung gemeinsam weiter voranzutreiben. Der erbitterte Streit über die Befahrensregelung im Winter könnte wieder aufkeimen und das gemeinsame Eintreten von Wassersportlern und Naturschützern für ein positives Image der Dümmerregion und die Dümmersanierung ernsthaft gefährden.
„Der NABU blockiert keinesfalls die touristischen Entwicklungen am Dümmer, das Gegenteil ist der Fall“, erläutert Dr. Holger Buschmann. „In den zurückliegenden Jahren wurden vielfältige Projekte am Dümmer umgesetzt, wie der Marissa Ferienpark, eine Abenteuergolfanlage, Badestellen mit Wasserspielplatz, Freigabe einiger Häfen zur Bebauung, etc. Dies ging mit Löschungen von Landschaftsschutzgebieten und eines Teils des Naturschutzgebiets Dümmer einher.“ Eine weitere Beeinträchtigung durch das Kite-Surfen wird der NABU allerdings nicht mehr akzeptieren.
Den Naturtourismus stärken
Die Dümmerregion steht heute für einen zunehmenden und verträglichen Naturtourismus, so wird sie auch über die Tourismusverbände beworben, als Naturerlebnisregion. Insbesondere durch das Phänomen des Kranichzuges in der Region gehört das Gebiet zu einer der attraktivsten Gegenden in Niedersachsen. Die erfolgreiche Umsetzung von Naturentwicklungsmaßnahmen und die Zunahme der Möglichkeiten für Naturbeobachtung haben ebenfalls zu einer Steigerung der Attraktivität und des Bekanntheitsgrades der Dümmerniederung geführt.
Über den Naturtourismus entwickelte sich beispielsweise eine Saisonverlängerung zum Vorteil der Tourismusbetriebe am See. Diese immer mehr gedeihende Pflanze sollte der Landtag nicht unbedacht durch das Ermöglichen von Kite-Surfen am Dümmer zerstören.
>>Protokolle Dümmer-Beirat
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