„Projekt Gelbbauchunke“ auf Zielgeraden
NABU-Projekt liefert eine höchst erfreuliche Zwischenbilanz



Lokaltermin im Steinbruch Liekwegen im Sommer 2012 zum Projektstart. Mit dabei: NABU-Präsident Olaf Tschimpke (l.), NABU-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann (Mitte) und Andreas Goedecke (r.), vero-Landesvorsitzender Niedersachsen. - Foto:Bodo Wistinghausen
Die Gelbbauchunke ist auf der Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ und in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für diese Art, da sich hier sowohl ihre nördliche Verbreitungsgrenze als auch ein bedeutender Teil der Weltpopulation befindet.
Ziel des vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) finanziell geförderten und federführend vom NABU-Landesverband Niedersachsen in enger Zusammenarbeit mit weiteren lokalen Naturschutzvereinigungen durchgeführten Vorhabens ist es, noch bestehende Populationen zu stärken und Trittsteine zwischen Lebensräumen anzulegen. Weiterhin geht es um die teilweise Wiederansiedelung der Art, um isolierte Populationen miteinander zu verbinden. Durch die Maßnahmen soll nicht nur die Vielfalt an Lebensräumen, sondern auch die Artenvielfalt in den Projektregionen erhöht werden.
Der ursprüngliche Lebensraum der kleinen Gelbbauchunke mit der charakteristisch gelb-schwarz gefleckten Unterseite umfasste vor allem Auen von Flüssen und Bächen. Heute kommt die Gelbbauchunke fast ausschließlich in Sekundärlebensräumen vor. Dies sind insbesondere Tongruben, Sand- und Kiesgewinnungsbetriebe, Steinbrüche sowie Truppenübungsplätze und damit Standorte, die noch Rohböden und vor allem temporäre, kleine Tümpel aufweisen. Letztere wurden in den Gewinnungsarealen in erheblichem Umfang unter fachlicher Anleitung der Projektverantwortlichen durch die beteiligten Rohstoffbetriebe geschaffen.
Dokumentation und Förderung der Verbreitung
In den sich über fast alle westdeutschen Mittelgebirgsregionen ziehenden Verbreitungsgebieten fanden im Rahmen des Projektes Bestandsaufnahmen der Gelbbauchunken-Vorkommen und ihrer potenziellen Lebensräume statt. Sofern erforderlich, wurden Neuansiedlungen inklusive fördernder Maßnahmen durchgeführt, um isolierte Vorkommen miteinander zu verbinden. Die großräumige Arbeitsweise stellt hohe Anforderungen an das Projektmanagement, das sich über fünf Bundesländer, vom Nördlichen Weserbergland bis in den Mittleren Oberrhein, erstreckt. Die Objekte liegen in acht Regionen bei insgesamt 130 einzelnen Gebieten mit Größen von je 1 bis 140 ha. Über die Grenzen des vero-Verbandsgebietes hinaus wurden in Baden-Württemberg Betriebe zur Teilnahme gewonnen, die dem Industrieverband Steine u. Erden Baden-Württemberg (ISTE) angeschlossen sind.
Für das langfristige Überleben dieser Art ist nicht nur der Erhalt einzelner Bestände und Lebensräume maßgebend, sondern insbesondere die Vernetzung isolierter Populationen.
Erfolgreiche Zwischenbilanz mit Blick nach vorn

Die Unterseite der Gelbbauchunken wird fotografiert und Daten zu Funden werden dokumentiert. Die Zeichnung des Bauches ist individuelles „Persönlichkeitsmerkmal“ und dient den NABU-Wissenschaftlern zur Identifikation und späteren Wiedererkennung. - Foto: NABU
Nach fast zwei Dritteln der sechsjährigen Projektphase war jetzt ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz und eine gemeinsame Projektsitzung, an der im Februar neben den Projektausführenden Naturschutzfachleuten auch beteiligte Vertreter der Industrieunternehmen sowie von Naturschutzbehörden teilnahmen.
Insgesamt erfüllten sich die Prognosen für die Standorte der beteiligten Gesteinsunternehmen. Das ist für alle Beteiligten ein höchst erfreuliches Ergebnis. Die erforderlichen konkreten Maßnahmen waren in der Regel recht simpel: Die Gelbbauchunke benötigt als Pionierart nur kleine Tümpel und offene Rohbodenareale, deren Anlage und Pflege mit geringem Aufwand zu realisieren sind. Wichtig ist allerdings, diese Maßnahmen von Anfang an ganz bewusst in das Gewinnungsgeschehen zu integrieren.
Mit der Zielgrade im Visier - offizielles Projektende ist im Februar 2018 – bleibt dennoch Einiges zu tun. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Unkenansiedlung während der aktiven Gewinnung ist ein wichtiger Aktionsteil, aus dem für die Betriebe zumeist keine Nachteile resultieren. Allerdings muss der Fokus auch auf den rechtlichen Verpflichtungen aus den Renaturierungs- bzw. Rekultivierungsauflagen der Unternehmen unter Einbeziehung des dauerhaften Schutzes der Gelbbauchunke nach Ende der praktischen Projektphase gelegt werden. Nicht immer ist es möglich, frühzeitig aktiven Einfluss auf die eventuellen Auflagen einer Folgenutzung zu nehmen.

Projektmanagement: Das Gebiet erstreckt sich über fünf Bundesländer, acht Projektregionen und insgesamt 130 Projektgebiete mit Größen von 1 bis 140 ha erstreckt. Tabelle: NABU
Auf der jüngsten gemeinsamen Projektsitzung in Duisburg wurden hierzu konkrete Punkte diskutiert. Hinderlich seien demnach in erster Linie relativ starre naturschutzrechtliche Vorschriften. Sie treten dann zutage, wenn die Pflicht zur Rekultivierung mit der Pflicht zur Erhaltung der neuen Art kollidiert oder wenn der Betreiber einer Rohstoffgewinnung mit dem Artenschutzziel andere Interessen verfolgt, als der Eigentümer der von ihm gepachteter Flächen (z.B. die Forstverwaltung). Die daraus resultierenden Probleme sind nicht auf die Gelbbauchunke beschränkt, sondern betreffen auch weitere Arten. So kommt dem aktuellen Projekt auch diesbezüglich eine wegweisende Funktion zu.
Einige Lösungsansätze konnten immerhin definiert werden. So ergibt sich potenziell die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Auflagen beispielsweise bei der Erweiterung um eine Teilfläche in Form von neu definierten Renaturierungsmaßnahmen für neue und bestehende Flächen. Auch der Abschlussbetriebsplan kann Spielräume eröffnen. Ein weiterer Lösungsweg liegt in öffentlich-rechtlichen Verträgen, in denen der Gelbbauchunkenschutz in Nachnutzungskonzepten vertraglich klar geregelt wird und aufgrund derer Genehmigungsbehörden entsprechende Anordnungen erlassen können, die den dauerhaften Schutz von Gelbbauchunkengewässern gewährleisten.
Handlungsbedarf gemeinsam definiert

Projektpartner: Raimo Benger (l.) und NABU-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann (r.) ziehen im Kreis der Teilnehmer vor dem Haus der Baustoffindustrie in Duisburg eine positive Zwischenbilanz. - Foto:Bodo Wistinghausen
Einig waren sich alle Beteiligten über den anstehenden Handlungsbedarf, da der Umgang mit solchen nachträglich eingewanderten Arten derzeit rechtlich nicht abschließend geklärt ist. Auch die Finanzierung der Maßnahmen nach Beendigung der geförderten Projektphase wurde diskutiert. Dabei erklärte der NABU, dass eine zeitlich unbefristete Erhaltung der Biotope nur realistisch ist, wenn langfristige Finanzierungsinstrumente aufgebaut werden können.
Mit dem bisher Erreichten indes zeigten sich neben den anwesenden Vertretern beteiligter Unternehmen auch der NABU-Landesvorsitzende Niedersachsen Dr. Holger Buschmann sowie vero-Hauptgeschäftsführer Raimo Benger rundum zufrieden. Der NABU erklärte sich ausdrücklich bereit, die Glaubwürdigkeit der Umweltverbände bei den Behörden in die Waagschale zu legen, um die praktische Umsetzung auch bei bestehenden rechtlichen Hürden gemeinsam zu gestalten. Raimo Benger regte in diesem Zusammenhang an, vor Ort in den Projektregionen für eine Intensivierung der Pressearbeit zu sorgen.
Ziel müsse es sein, das Engagement der beteiligten Unternehmen für die Vereinbarkeit von Rohstoffgewinnung und Naturschutzzielen auch regional in die Öffentlichkeit zu tragen, um vor Ort den verdienten Imagegewinn zu realisieren. Den bescheinigte Dr. Holger Buschmann den projektbeteiligten Akteuren indem er betonte: „In Gegenden mit ansonsten ausgeräumten Landschaften schauen wir immer zuerst in die Gewinnungsareale, denn dort sind in der Regel die seltenen Arten zu finden.“ In diesem Zusammenhang begrüßt er ausdrücklich die Potenziale der Gewinnungsstätten als über das ganze Land verteilte Sekundärbiotope. Für die Zukunft wünscht er sich weitere win-win-Lösungen und gute Kompromisse, um diese Potenziale weiter ausbauen zu können. Raimo Benger wertete die konkrete Zusammenarbeit als Erfolg mit Modellcharakter und kündigte an, sich auch für das Land NRW für eine ähnlich intensive Zusammenarbeit mit dem organisierten Naturschutz einzusetzen.
Ausblick und weitere geplante Aktivitäten
Gemeinsam wollen vero und NABU für eine Flexibilisierung des § 44 Abs. 1 BNatSchG eintreten und damit im Sinne einer größeren Praxistauglichkeit des Artenschutzes im Hinblick auf eine dynamische Natur bei Gewinnungstätigkeiten handeln.
Gründung eines Fonds, aus dem Maßnahmen wie die Biotoppflege über das GBU-geförderte Projektende hinaus bestritten werden können.
Erstellung eines gemeinsamen „Leitfadens Amphibienschutz nach Abschluss der Rohstoffgewinnung“, um Unternehmern, deren Mitarbeitern, Behördenvertretern und ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten praktikable und rechtssichere Praxisempfehlungen geben zu können.
In etwa einem Jahr wird erneut eine gemeinsame Projektsitzung stattfinden, zu der dann jedoch auch Vertreter der Unteren Naturschutzbehörden eingeladen werden. Ziel dieser Folgeveranstaltung sollen konkrete Vorschläge zur Flexibilisierung des Artenschutzes sein.