Saatkrähen-Kindheit in Jever beendet
Zwei Küken flogen am Muttertag aus



Die frisch geschlüpften Küken im Nest - Foto: Renja Popken
15. Mai 2020 - Knapp 16.000 Menschen aus Niedersachsen haben das Muttertagswochende genutzt, um Vögel in Garten, Park oder am Balkon zu zählen. Ein besonderes Highlight war jedoch online über eine Webcam zu bestaunen – Saatkrähen im Schlosspark Jever. Ob es wieder Saatkrähe „Mathilde“ aus dem vergangenen Jahr war, die gemeinsam mit ihrem Partner im Schlosspark Jever unter der Live-Cam brütete, kann nicht genau nachvollzogen werden. Wie im letzten Jahr zog das Saatkrähenpaar dort zwei Junge auf, die nun am Muttertags-Wochenende ihr Nest verließen - im Vergleich zum Vorjahr vier Tage früher.
Wie bereits im Frühjahr 2019 wurde das Angebot der Arbeitsgruppe „live dabei“, der das Schloss Jever, die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz (WAU) und die Mobile Umweltbildung-MOBILUM angehören, mit großer Resonanz wahrgenommen: „Insgesamt erfolgten 12.000 Klicks auf die Webcam, zusätzlich riefen 1.000 Homepage-Besucher Videos, Fotos und Texte zu „Saatkrähe Mathilde“ auf, unter anderem einen Filmzusammenschnitt der Brutsaison 2019“, berichtet Dr. Antje Sander, Schloss Jever.
Auch über die Region hinaus bestand Interesse an dem Live-Angebot: So meldete sich ein Vogelfreund aus Bayern, der das Nestgeschehen regelmäßig mit Interesse verfolgte. Er war begeistert von der Möglichkeit, beim Blick in das Nest Unerwartetes über die Tiere und ihr Verhalten zu lernen. Auf diese Weise kann ein besseres Verständnis für das Leben der Saatkrähen entstehen. „Genau dieses hatten wir uns erhofft", kommentiert die Arbeitsgruppe die bisherigen Rückmeldungen. „Dass sich mit dem Perspektivwechsel eine Akzeptanz entwickelt. Es scheint so, dass wir uns hier in Jever aneinander gewöhnen - in diesem Frühjahr gingen keine Beschwerden über die Saatkrähen ein.“
So verlief die Brutsaison 2020
Zum Lebenslauf der Küken weiß Renja Popken, die die Kamera in den letzten Wochen im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres beim Schloss Jever betreute, viel zu berichten: Nachdem das Paar bis Mitte März beim Nestbau zu beobachten war, beim Bauen des Fundamentes aus Erde in einen Astquirl, dem Aufbau aus Zweigen, der Auspolsterung mit einer weichen, wärmenden Inneneinrichtung aus Moos und Blättern, wurden insgesamt vier Eier gelegt, von denen jedoch zwei zerbrachen.
„Man konnte beobachten, wie fürsorglich das Saatkrähenpaar miteinander umgingen, wenn sich die Partner beispielsweise gegenseitig ihr Gefieder pflegten. Während Mathilde das Nest verließ, passte ihr Partner auf die Eier auf“, so Renja Popken.
Nach rund 20 Tage geduldigen Brütens schlüpften am 5. und 6. April die beiden Küken. Fast stündlich wurden Nachwuchs und Mathilde mit Regenwürmern versorgt, ausschließlich vom Vater, der auch die weißen „Windelpakete“ aufnahm und entsorgte. Obwohl die Hauptnahrung, also Regenwürmer, durch die anhaltende Trockenheit knapp wurde, wuchsen die Küken zunehmend heran, die Schnäbel wurden größer, das Gefieder entwickelte sich und am 18. Lebenstag öffneten sie ihre Augen. Neugierig erkundeten sie die Welt um sich herum, zunächst mit noch ungeschickten Flatter- und Flugübungen den Nestbereich, dann die weitere Umgebung. Am Muttertag schließlich flogen sie aus. Derzeit kann man die Saatkrähen-Familien im Umland Jevers bei der Nahrungssuche und ihren Erkundungsflügen beobachten.
Die zweite Live-dabei-Kamera ist bereits über einem Schwalbennest im Torbogen des Schlosses installiert. „Wir hoffen, dass die Schwalben, die derzeit im Innenhof des Schlosses fliegen, dieses bald belegen, so dass auch diese Kamera geschaltet werden kann und das Brutgeschehen der Rauchschwalben beobachtet werden kann“, sagt sich die Arbeitsgruppe.
Über Saatkrähen
Die Saatkrähe brütet in Kolonien, die einige hundert Brutpaare umfassen können. Während der Brut und Aufzucht versorgt das Männchen sowohl seine Partnerin als auch die Jungvögel mit Nahrung. Nach 32 bis 35 Tagen werden die jungen Saatkrähen flügge und schließen sich zu Jugendschwärmen zusammen.
Die Saatkrähe ist – wie alle Rabenvögel – Nahrungs-Opportunist und ernährt sich etwa zu gleichen Anteilen von pflanzlicher und tierischer Nahrung. Ihre Hauptnahrung bilden Wirbellose und Sämereien. Regenwürmer, bodenbewohnende Insekte und deren Larven werden besonders gerne gefressen, aber auch Mäuse. An pflanzlicher Nahrung spielen vor allem Getreidekörner eine wichtige Rolle, zeitweise auch fleischige Früchte. Durch soziale Nahrungssuche kommt es zu vorübergehenden Konzentrationen auf lokal ergiebige Nahrungsangebote wie zum Beispiel Saatgut.