Zugfaule Wintervögel und fleißige Teilnehmer
Das Ergebnis der "Stunde der Wintervögel 2017"



Flatterte erneut aufs Siegertreppchen: Der Haussperling. - Foto: NABU/Hartmut Mletzko
31. Januar 2017 - Viele Menschen in Niedersachsen treibt in diesem Winter die Frage um: Wo sind die Vögel geblieben? Auffallend wenig Meisen, Finken und andere Vögel ließen sich in den vergangenen Monaten an Futterstellen sowie in Gärten und Parks blicken. Dass diese Beobachtung flächendeckend zutrifft, bestätigte jetzt Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktion, die "Stunde der Wintervögel".
„Die Sorge um ausbleibende Vögel hat viele Menschen beschäftigt“, sagte NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. „Und in der Tat: So wenige Vögel wie in diesem Winter hatten wir schon lange nicht mehr!“ Insgesamt beobachteten die Teilnehmer durchschnittlich 17 Prozent weniger Tiere als in den Jahren zuvor.

Kernbeißer gehören 2017 zu den Verlierern. - Foto: Frank Derer
Gewinner und Verlierer
Vor allem bei den häufigen Wintervögeln und Futterhausbesuchern – darunter allen Meisenarten, aber auch Kleiber und Kernbeißer – wurden die bisher niedrigsten Zahlen seit Beginn der Aktion im Jahr 2011 verzeichnet. Pro Garten ließen sich im Schnitt nur rund 34 Vögel und acht verschiedene Arten sehen. Sonst liegt der Schnitt bei rund 41 aus neun Arten.
„Einige Arten hatten dieses Jahr offenbar kaum Wanderlust“, so Lachmann. „Das hat zu den teils deutlichen Rückgängen geführt. Das gilt vor allem für jene, die im Winter häufig Besuch von ihren Artgenossen aus dem kälteren Norden und Osten bekommen. Dazu zählen auch die meisten Meisenarten.“ Auffällig ist, dass die Rückgänge bei Meisen und Co. im Norden und Osten Deutschlands gering ausfallen, in Richtung Südwesten hingegen zunehmen. Dennoch verzeichnen Kohlmeise (- 30Prozent), Blaumeise (- 26 Prozent) und Schwanzmeise (- 49 Prozent) auch in Niedersachsen starke Rückgänge. Manche Wintervögel haben wohl aufgrund des – bis zum Beginn des Zählwochenendes – noch milden Winters auf halber Zugstrecke Halt gemacht.
Im Gegensatz dazu sind Arten, die im Winter von Deutschland aus teilweise nach Süden abwandern, in diesem Jahr besonders häufig hier geblieben: Bei Amseln, Rotkehlchen, Ringeltauben, Star und Heckenbraunellen wurden die bislang höchsten oder zweithöchsten Werte seit Beginn der Aktion ermittelt.
Entsprechend deutlich zeigen sich die Verschiebungen auch in der Rangliste der häufigsten Wintervögel: Hinter dem Dauer-Spitzenreiter Haussperling setzte sich die Amsel etwas überraschend auf Rang zwei (sonst Platz 3). Die Kohlmeise liegt erstmalig nur auf Rang 3 und der Feldsperling landet zum ersten Mal noch vor der Blaumeise auf Rang 4.
-> Tipp: Die regionalen Ergebnisse auf Landkreisebene können hier abgerufen werden.
Auswirkungen von Trichomonaden und Usutu-Virus
Neben der geringen Zuglust könnten auch weitere Faktoren die Ergebnisse beeinflusst haben. Nicht ausgeschlossen ist, dass Meisen und andere Waldvögel im Frühjahr einen schlechten Bruterfolg hatten. Ob diese Vermutung zutrifft, wird die im Mai stattfindende Schwesteraktion "Stunde der Gartenvögel" zeigen. Dann sind Deutschlands Vogelfreunde aufgerufen, eine Stunde lang die Brutvögel zu zählen.
Die Ergebnisse der Wintervogelzählung zeigen auch, dass das unter Amseln grassierende Usutu-Virus keine Auswirkungen auf den Gesamtbestand der Art hatte. Anhand der Meldungen lassen sich die diesjährigen Ausbruchsgebiete zwar deutlich erkennen, hier sind die Amselzahlen deutlich niedriger als andernorts. Doch insgesamt gehrt die Amsel zu den Gewinnern der diesjährigen Zählung.
Besorgniserregend ist hingegen der anhaltende Rückgang der Grünfinkenzahl. Nach einer erneuten Talfahrt um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und über 67 Prozent gegenüber 2011 ist der Grünfink erstmals nicht mehr der sechsthäufigste Wintervogel in Deutschland. Er rangiert nurmehr auf Rang acht. Grund hierfür ist vermutlich das durch einen Parasiten hervorgerufene sogenannte "Grünfinkensterben" (Trichomoniasis), das seit 2009 vor allem an sommerlichen Futterstellen auftritt.
Zur Aktion:
Der NABU und LBV rufen einmal im Jahr zur "Stunde der Wintervögel" bzw. "Stunde der Gartenvögel" auf. Es ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktion. Die "Stunde der Gartenvögel" 2017 findet über Muttertag vom 12. bis 14. Mai statt. Je mehr Menschen an der Aktion teilnehmen, desto genauer werden die Ergebnisse.