Libellen in Niedersachsen
Schillernde Flugkünstler



Blutrote Heidelibelle (Männchen) - Foto: Monika Povel
Saphirauge, Großer Blaupfeil, Blutrote Heidelibelle, Speer-Azurjungfer – die Namen verraten bereits eine Menge über die Farbenpracht und ungewöhnlichen Flugfähigkeiten einer Tiergruppe, die seit 150 Millionen Jahren in nahezu unveränderter Gestalt und Lebensweise auf der Erde existieren. Die Rede ist natürlich von den Libellen. 80 verschiedene Arten sind in Deutschland heimisch, fast alle kommen auch in Niedersachsen vor. Die aktuelle Artenliste der „Arbeitsgemeinschaft Libellen Niedersachsen und Bremen“ weist 73 Arten für Niedersachsen und Bremen auf.
Jetzt im Hochsommer lässt sich an vielen Gewässern der faszinierende und spielerisch leichte Flug der Libellen beobachten. Denn nur im Sommer und für wenige Wochen sind die Tiere als flugfähige Insekten unterwegs. In dieser Form des Imago, also des ausgewachsenen, flugfähigen Tieres, prächtig schillernd, kennen die meisten Menschen die Libelle. Weniger bekannt ist, dass die Tiere davor, je nach Art, bis zu fünf Jahre im Verborgenen im Wasser gelebt haben.
Lebenszyklus der Libelle
Der Lebenszyklus lohnt eine nähere Betrachtung: Die Eier legen die erwachsenen Tiere nach der Befruchtung ins Wasser oder ins Gewebe von Wasserpflanzen. Manche Arten wie z.B. die Weidenjungfer auch in die Rinde von Bäumen am Ufer. Daraus schlüpfen Vorlarven, die sich bereits entweder in den ersten Sekunden oder in den ersten Stunden nach dem Schlüpfen zum ersten Mal häuten. Das Tier hat sich zu Larve entwickelt. Am Grund der Gewässer oder zwischen Wasserpflanzen lauerte sie nun auf Mückenlarven, Bachflohkrebse oder kleinere Kaulquappen. Unter Wasser atmet sie durch Kiemen, die sich entweder im Enddarm (Großlibellen) oder an ihrem Hinterende (Kleinlibellen) befinden. Sie häuten sich im Laufe ihres Larvenstadiums zehnmal oder sogar öfter, das ist von Art zu Art verschieden.
Ist das Ende der Larvenzeit erreicht, die von 3 Monaten (z.B. Frühe Heidelibelle) bis zu 5 Jahren dauern kann (z.B. Quelljungfern), sucht sich die Libellenlarve meist erhöhte, senkrechte Strukturen im Uferbereich wie Schilfstängel oder Wurzeln, die sie erklettert. Dort schlüpft sie aus der Larvenhaut, die als sogenannte Exuvie zurückbleibt. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als "Emergenz". Die Junglibelle durchläuft anschließend einen kurzen Reifeprozess, in dessen Verlauf sich ihre Flügel entfalten und ihre Haut aushärtet. Es fällt auf, dass Libellen sich nicht wie andere Insekten, beispielsweise Schmetterlinge, verpuppen. Die Imagines der Libellen schlüpfen praktisch direkt aus ihrem Larvenstadium, welches sich äußerlich noch stark vom Imago unterscheidet.
Die Lebensdauer der fertigen Libelle beträgt zwischen zwei und acht Wochen. Während dieser Zeit paaren sich die Libellen und das Weibchen legt die Eier ab. Der Lebenszyklus beginnt erneut.
Winterlibellen
Es gibt aber auch Libellen, die mit zehn bis elf Monaten ein wenig länger leben. Bis in den Herbst hinein lassen sich diese Tiere beobachten. Der Grund dafür ist, dass sie als Imago, also als flugfähiges Insekt, überwintern. Deshalb nennt man sie Winterlibellen.
Im Herbst suchen sich diese Tiere einen geeigneten Überwinterungsplatz, der sie vor Kälte und Wind schützt. Meist überwintern sie an Waldrändern oder Waldlichtungen, wo sie sich beispielsweise unter Baumrinden oder Steinen verkriechen können. Sie können auch frei sitzend einfrieren, sich von Raureif überziehen, oder sich einschneien lassen. In Kältestarre überstehen sie auch deutliche Minusgrade. Haben die Tiere die Kälteperiode überstanden, sind sie geschlechtsreif. Sobald dann im Frühjahr die Sonne scheint, beginnt für die Winterlibellen die Paarungszeit.
Die Gemeinen Winterlibelle ist, neben der Sibirischen Winterlibelle, die einzige in Niedersachsen vorkommende Winterlibellenart. Da die Sibirische Winterlibelle aber vom Aussterben bedroht ist, handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um ein Exemplar der Gemeinen Winterlibelle, wenn Sie bei uns im März oder April eine Libelle fliegen sehen.
Wenn Sie wissen möchten, wann welche Libellen in Niedersachsen zu sehen sind, werfen Sie einen Blick auf den Jahreskalender der AG Libellen.
Optimal an die Lebensweise angepasst
Libellen zählen zu den Fluginsekten, tun sich unter diesen durch ihre atemberaubende Flugtechnik hervor. Nicht nur, dass sie in der Lage sind auf bis zu 50 Stundenkilometer zu beschleunigen. Sie können auch in der Luft stehen bleiben, die Flugrichtung abrupt ändern, Loopings und sogar rückwärts fliegen. Diese beeindruckenden Manöver ermöglicht die kräftige, direkt an den Flügeln ansetzende Flugmuskulatur und die Fähigkeit, die beiden Flügelpaare unabhängig voneinander zu bewegen. Nicht von ungefähr stand die Libellen Pate für die Entwicklung der Helikopter.
Eine optimale Anpassung an ihre Lebensweise sind auch die Komplex- oder Facettenaugen, die einen großen Teil des Kopfes ausmachen und aus bis zu 30.000 Einzelaugen bestehen. Dadurch können Libellen auch Beutetiere erkennen, die sich sehr schnell bewegen. Mit diesem System verfügen sie wahrscheinlich über den besten Sehsinn unter den Insekten.
Der Hinterleib der Libellen besteht aus zehn Segmenten. Durch die Länge bewirkt er eine Stabilisierung beim Flug. Entgegen einem nach wie vor verbreiteten Irrglauben besitzen Libellen am Ende des Leibes keinen Stachel und können demnach nicht stechen. Wem Ihnen eine Libelle auf die Hand fliegt: Keine Panik! Freuen Sie sich, dass Sie die Gelegenheit bekommen, sich die Facettenaugen, die schillernden Flügel und die Hinterleibsegmente einmal näher anzusehen.
Gefährdung
Viele der in Niedersachsen vorkommenden Libellenarten sind gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht, wie z.B. die Zwerglibelle oder die Vogel-Azurjungfer. Hauptursache ist der Verlust an Lebensräumen.
Libellen sind an Wasser gebunden, da ihre Larven nur dort existieren können. Die meisten Arten brauchen stehende Gewässer, einige sind aber auch an das Leben an Fließgewässern angepasst. Einzelne Arten wie die Torf-Mosaikjungfer oder die Speer-Azurjungfer sind auf saure, extrem nährstoffarme Moorgewässer angewiesen. Wenn also Moore und andere Feuchtbiotope trockengelegt, Flüsse begradigt oder Uferbereiche umstrukturiert werden, steht oft die Existenz der lokalen Libellenpopulationen auf dem Spiel.
So steht es um die Libellenarten in Niedersachsen und Bremen: Artenliste.