NABU fordert Kormoran nicht zum Abschuss freizugeben
Ohne Fakten keine Entscheidung - Monitoring muss erfolgen
24. November 2016 - Die im Jahr 2011 erlassene Kormoranverordnung, die unter dem damaligen Umweltminister Hans-Heinrich Sander in Kraft trat, wird am 31.12.2016 enden. Bereits am 27. Oktober 2016 wurden im niedersächsischen Landtag der weiterführende Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP - "Fischerei in Niedersachsen retten - Kormoranverordnung (Drs. 17/5117)" und die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Drs. 17/6648) behandelt. Der CDU-FDP-Antrag wurde im Landtag abschließend beraten und einstimmig angenommen. Die Fraktionen aller im Niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien hatten sich vorher im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz auf einen Änderungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die Kormoranverordnung geeinigt.
Am gestrigen Mittwoch, den 23. November 2016, endete die Abgabefrist der Verbändebeteiligung. Der NABU Niedersachsen als anerkannter Naturschutzverband fordert mit Nachdruck, diese Verordnung auslaufen zu lassen und den Kormoran als natürlichen Bestandteil der Gewässerökosysteme zu akzeptieren.
Denn die Kormoranverordnung stellt die Regelungen der Vogelschutzrichtlinie, gemäß den Artikeln 2, 5 und 6 auf den Kopf. Diese besagt, dass die Population des Kormorans durch Abschussgenehmigungen nicht in ihrem Bestand gefährdet werden darf. Ausnahmen von diesem generellen Schutz sind nur gemäß Artikel 9 der Richtlinie "zur Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern" zulässig. Als regelmäßig auftretende Zugvogelart ist der Kormoran zudem in seinen Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten zu schützen, insbesondere in den Feuchtgebieten internationaler Bedeutung (Ramsar-Gebiete, Artikel 4, 2 der EG- Vogelschutzrichtlinie).
Eine Datengrundlage ist nicht vorhanden
„Bevor überhaupt über eine Verlängerung der Kormoran-Verordnung nachgedacht wird, müssen Informationen über Einzelbestände, regionale Entwicklungen, Altersstrukturen, natürliche Schwankungen der Population erfasst werden“, betonte Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. „Dies ist bislang nicht geschehen. Eine Darstellung der regionalen Bestandsentwicklung durch die fachlich zuständigen Stellen in Niedersachsen sollte umgehend erfolgen. Die Begründung der Verlängerung ist somit aus artenschutzrechtlicher Sicht nicht akzeptabel.“
Der NABU Niedersachsen kritisiert zudem den zeitlichen Rahmen (1. August bis 31. März) aus Tierschutzgründen auf das Schärfste, weil Kormorane zum einen im August noch mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt sein können und zum anderen Ende März mit der Brut beginnen. „Es ist ein Skandal, wenn Kormoranjunge in den Nestern elend verhungern, weil die Kormoraneltern erlegt worden sind“, sagte Dr. Holger Buschmann. „Obwohl der Kormoranabschuss keine Jagd ist und die Kormorane in der Mülltonne entsorgt werden, muss für Kormorane das gelten, was auch für Wildschwein, Reh und Fuchs gilt: keine Abschüsse zur Aufzucht- und Mauserzeit!“
Laut dem Entwurf der Verordnung dürfen Jungvögel, die noch ihr braungrau gefärbtes Federkleid haben und am Brutgeschehen teilhaben, nicht abgeschossen werden. Der NABU Niedersachsen befürchtet allerdings, dass man nicht zwischen brütenden und nicht-brütenden Jungvögeln unterscheiden kann.
Weiterhin müssen zunächst landesweite Erkenntnisse zum Ausmaß von etwaigen Fraßschäden durch Kormorane vorliegen. Eine solche Untersuchung ist bisher nicht erfolgt und dem NABU sind noch nicht einmal Daten bekannt, die aufgrund der bisherigen Verordnung hätten erhoben werden können. Solange aber keine Auswertung von Daten und keine aussagekräftige Untersuchung von behaupteten Fraßschäden vorliegt, darf keine Verlängerung der Verordnung im Niedersächsischen Landtag beschlossen werden. Dr. Holger Buschmann: „Keine wissenschaftliche Untersuchung konnte bisher Schäden an der heimischen Fischfauna natürlicher Gewässer nachweisen. Eine Bedrohung von heimischen Fischarten kann also nicht als Begründung für eine Kormoranverfolgung herhalten.“
Faktencheck? Fehlanzeige!
Der Niedersächsische Anglerverband kündigte in seinem Newsletter 'AVN News 11/2016' an, diese Aussagen, die als "NABU-Behauptungen" dargestellt wurden, durch einen Faktencheck widerlegen zu wollen. Bisher Fehlanzeige. Stattdessen legt der NABU Niedersachsen nun mit einem fundierten Faktencheck vor.
Im Begründungstext zur Kormoran-Verordnung werden gemeinwirtschaftliche Schäden schlicht 'unterstellt' und eine Gefährdung bedrohter Fischarten 'angenommen'. Nach Bundesnaturschutzgesetz sind aber Eingriffe in die Bestände von Kormoranen nur zulässig, wenn Schäden nachprüfbar belegt werden. Schäden sind nur in Teichwirtschaften mit unnatürlichem Fischbestand denkbar. Auch diese müssen aber nachgewiesen werden und es muss jegliche Abwehrmaßnahme, die die Tiere vertreibt, aber nicht tötet, erfolglos gewesen sein, bevor ein Abschuss ausnahmsweise zugelassen werden darf.
Der NABU Niedersachsen fordert daher das Land Niedersachsen auf, die Verordnung ohne Verlängerung außer Kraft treten zu lassen!
Anders, als immer wieder behauptet, ist der Kormoran eine durch und durch heimische Art. Kormorane leben seit der Eiszeit bei uns und haben im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nahezu überall in Mitteleuropa gebrütet. Mehr →
Die NABU-Fachtagung zum Kormoran sollte den Fischereiverbänden und Hobby-Anglern Gelegenheit bieten, den jahrelangen Streit um den Kormoran zu versachlichen. Doch Dialog sieht anders aus: Die Fischerei- und Anglerverbände kündigten eine Demonstration an. Mehr →
Geplante Verlängerung der Kormoranverordnung
Der NABU Niedersachsen fordert die Landesregierung auf nicht zuzustimmen
Update 28.10. 2016:
Am 27. Oktober 2016 wurden im niedersächsischen Landtag der weiterführende Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP - "Fischerei in Niedersachsen retten - Kormoranverordnung (Drs. 17/5117)" und die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Drs. 17/6648) behandelt. Der CDU-FDP-Antrag wurde im Landtag abschließend beraten und einstimmig angenommen. Die Fraktionen aller im Niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien hatten sich vorher im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz auf einen Änderungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die Kormoranverordnung geeinigt. Der NABU Niedersachsen kritisiert das.
28. September 2016 - Die aktuelle Verordnung, die 2011 unter dem damaligen Umweltminister Hans-Heinrich Sander in Kraft trat, besagt, dass Kormorane zwischen dem 1. August bis 31. März in einem Umkreis von 30 Kilometern um Teichwirtschaften geschossen werden dürfen. Dies bedeutet eine nahezu flächendeckende Möglichkeit des Abschusses des „Vogel des Jahres 2010“ in Niedersachsen. Über eine Verlängerung um drei Jahre wird am Donnerstag, 27.10.2016, im Niedersächsischen Landtag abschließend beraten.
Die Kormoranverordnung stellt die Regelungen der Vogelschutzrichtlinie gemäß den Artikeln 2, 5 und 6 auf den Kopf. Diese schreibt vor, dass die Population des Kormorans durch Abschussgenehmigungen nicht in ihrem Bestand gefährdet werden darf. Ausnahmen von diesem generellen Schutz sind nur gemäß Artikel 9 der Richtlinie „zur Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern“ zulässig. Als regelmäßig auftretende Zugvogelart ist der Kormoran zudem in seinen Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten zu schützen, insbesondere in den Feuchtgebieten internationaler Bedeutung (Ramsar-Gebiete, Artikel 4, 2 der EG- Vogelschutzrichtlinie). „Stattdessen schützt die die aktuelle Verordnung den Kormoran nur noch in Ausnahmefällen und macht den Abschuss zur Regel“, betont Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen.
Abschuss in der Brutzeit?
Der NABU Niedersachsen kritisiert zudem den zeitlichen Rahmen (1. August bis 31. März) aus Tierschutzgründen aufs Schärfste, weil Kormorane zum einen im August noch mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt sein können und zum anderen Ende März mit der Brut beginnen. „Es ist ein Skandal, wenn Kormoranjunge in den Nestern elend verhungern, weil die Kormoraneltern erlegt worden sind“, sagte Dr. Holger Buschmann.
„Obwohl der Kormoranabschuss keine Jagd ist und die Kormorane in der Mülltonne entsorgt werden, muss für Kormorane das gelten, was auch für Wildschwein, Reh und Fuchs gilt: keine Abschüsse zur Aufzuchtzeit! Zudem ist stark zu vermuten, dass auch flächendeckend gefährdete Arten gestört und vertrieben werden – wie zum Beispiel der Seeadler, der zumeist ebenfalls bereits Anfang März mit der Brut beginnt.“
Fraßschäden durch den Kormoran sind nicht nachprüfbar belegt
Bevor eine Verlängerung der Verordnung in Betracht gezogen werden könne, müssten zunächst landesweite Erkenntnisse zum Ausmaß von etwaigen Fraßschäden durch Kormorane vorliegen. Eine solche Untersuchung ist bisher nicht erfolgt und dem NABU sind noch nicht einmal Daten bekannt, die aufgrund der bisherigen Verordnung hätten erhoben werden können. Solange aber keine Auswertung von Daten und keine aussagekräftige Untersuchung von behaupteten Fraßschäden vorliegt, darf keine Verlängerung der Verordnung im Niedersächsischen Landtag beschlossen werden. Dr. Holger Buschmann: „Keine wissenschaftliche Untersuchung konnte bisher Schäden an der Fischfauna natürlicher Gewässer nachweisen. Eine Bedrohung von heimischen Fischarten kann also nicht als Begründung für eine Kormoranverfolgung herhalten.“
Genau so argumentiert aber die Kormoranverordnung von 2003, die 2011 verlängert wurde. Demnach werden im Begründungstext zur Verordnung gemeinwirtschaftliche Schäden schlicht 'unterstellt' und eine Gefährdung bedrohter Fischarten 'angenommen'. Nach Bundesnaturschutzgesetz sind aber Eingriffe in die Bestände von Kormoranen nur zulässig, wenn Schäden nachprüfbar belegt werden. Schäden sind nur in Teichwirtschaften mit unnatürlichem Fischbestand denkbar. Auch diese müssen aber nachgewiesen werden und es muss jegliche Abwehrmaßnahme, die die Tiere vertreibt, aber nicht tötet, erfolglos gewesen sein, bevor ein Abschuss ausnahmsweise zugelassen werden darf.
Der NABU Niedersachsen fordert daher, den Kormoran als Bestandteil der Gewässerökosysteme zu akzeptieren. Nur in kommerziellen Fischzuchtanlagen können, sofern Abwehrmaßnahmen nicht greifen, Entschädigungsansprüche für nachgewiesene Schäden anerkannt werden und Ausgleichszahlungen erfolgen. Erfreut reagierte der NABU daher darauf, dass seine Forderung zur Ermöglichung einer Förderung von Abwehrmaßnahmen durch das Landwirtschaftsministerium aufgegriffen wurde. Über die ‚Richtlinie Fischprädatoren‘ werden nun öffentliche Gelder für Abwehrmaßnahmen bereitgestellt. „Eine Verlängerung der Verordnung würde nun bedeuten, dass diese Steuergelder umsonst in die Teichwirtschaften geschmissen würden“, so Dr. Buschmann.