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Vorlesen

Von Natur aus läge der Anteil der Laubbäume in Niedersachsens Wäldern bei weit über 90 Prozent. Dabei wären Buchenwälder mit 77 Prozent die dominierende Vegetationsform, in der Realität macht die Buche nach der aktuellen Bundeswaldinventur aber nur 14 Prozent des Bestandes niedersächsischer Waldbäume aus. Den Nadelbaumanteil hat die Forstwirtschaft dagegen auf 55 Prozent gesteigert. Doch die Klimawandelprognosen zeigen, dass Niedersachsen von der kühl-gemäßigten in die zentral-gemäßigte (temperate) Klimazone „wandern“ wird. Nach dem gültigen wissenschaftlichen Stand werden es künftig die Nadelhölzer noch weit schwerer haben als heute. Es gilt: Nur ein wirklich naturnaher Wald ist anpassungsfähig und kann für kommende Generationen die unverzichtbaren Waldökosystemleistungen bereitstellen.


Zustand der Wälder und aktuelle Situation in Niedersachsen

Für Niedersachsen wurde laut 3. Bundeswaldinventur eine Waldfläche von 1.204.591 Hektar ermittelt, wovon rund 240.000 Hektar (19 Prozent) relativ hohen Schutzgebietsauflagen (Nationalpark, Naturschutzgebiet, Kernzone Biosphärenreservat, Natura 2000) unterliegen. Nur rund ein Viertel der niedersächsischen Landesfläche ist mit Wald bestockt, was unter dem Bundesdurchschnitt liegt.

Bis zu 55 Prozent des niedersächsischen Waldbestandes setzt sich aus Nadelgehölzen zusammen, oft in plantagenartigen Monokulturen. Es dominieren die forstwirtschaftlich genutzte Kiefer (29 Prozent) und Fichte (17 Prozent). Dies entspricht nicht der potenziell natürlichen Vegetation Niedersachsens: Auf den Waldstandorten im Land Niedersachsen kämen ohne menschliche Eingriffe fast nur Laubwälder vor (77 Prozent Buchenwälder, 14 Prozent Eichen(-Misch)-Wälder, 8 Prozent Wälder wassergeprägter Standorte). Nur im Bergland (Harz) bildeten Nadelwälder mit einem Prozent die natürliche Waldgesellschaft. An dieser Diskrepanz zwischen faktischer Bestockung und standortangepasster, natürlicher Waldvegetation zeigt sich der enorme Einfluss der Forstwirtschaft.

Bedingt durch die forstliche Nutzung, Wiederaufforstung und Schadereignisse ist mehr als die Hälfte des niedersächsischen Waldes jünger als 60 Jahre. Nur rund 13 Prozent des niedersächsischen Waldbestandes ist älter als 120 Jahre.

Eine Holzerzeugung, die auf die Kultivierung nicht standortangepasster Nadelbäume setzt, ist hochproblematisch. Denn die Nichtbeachtung ökologischer Zusammenhänge und Grenzen, kombiniert mit den Auswirkungen des Klimawandels, führt aktuell zu einer Nadelholz-Krise. Aus Sturmschäden, Dürrefolgen und massivem Borkenkäferbefall resultieren große Schadflächen und ein Wertverfall auf dem Holzmarkt infolge eines Überangebotes. Diese Krise hat bedeutende Teile der Forstwirtschaft an den Rand des Ruins geführt und untergräbt die mittel- und langfristige Rohstoffversorgung der Holzwirtschaft. Zudem wird gerade die Hälfte des niedersächsischen Waldes für Windkraftplanungen geöffnet, was dem Klimaschutz entgegenläuft, da zwar fossile Energieträger ersetzt werden sollen, aber gleichzeitig eine CO2-Senke verloren geht und durch Vernichtung des Waldes CO2 in die Atmosphäre entweicht.

Darunter leiden auch wichtige ökologische Funktionen des Waldes wie Humusbildung, Kühlung, Kohlenstoff- und Wasserspeicherung, Holz- und Sauerstoffproduktion, die so nicht dauerhaft erbracht werden können. Treibhausgassenken können durch die Emissionen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas aus den freigelegten Waldböden sogar zu Treibhausgasquellen werden. Dies führt zu einer Beschleunigung des Klimawandels.


Forderungen zum Waldschutz und zur Forstwirtschaft

Das Waldmanagement muss am Erhalt der Ökosystemfunktionen ausgerichtet werden: Ziel muss die Einrichtung möglichst naturnaher und damit resilienter Wälder sein. Das Waldmanagement muss insbesondere auf Naturverjüngung, Strukturreichtum, große Biomassevorräte (einschließlich Totholz) sowie auf ein grundsätzlich möglichst feucht-kühles Waldinnenklima abzielen. Dazu ist die Naturverjüngung auch auf Schadflächen der ökologische Schlüsselfaktor und Grundlage des naturnahen Waldbaus. Die stoffliche Nutzung von Holz (besonders Konstruktionsholz) muss dem Ziel einer langfristigen Kohlenstoffbindung Rechnung tragen. Die energetische Nutzung von Holz ist erst am Ende der Mehrfachnutzung (Kaskade) sinnvoll. Die direkte Verbrennung von Frischholz ist kontinuierlich zu reduzieren. Die Umrüstung von Kraftwerken auf Holzverbrennung darf nicht subventioniert werden.

  • Private und kommunale Waldbesitzende, die ihr Waldeigentum nachweislich und wirksam im Sinne der Sicherung und Förderung der Ökosystemleistungen managen und dabei die gesetzlichen Mindestanforderungen übertreffen, sollten dafür aus Mitteln der öffentlichen Hand honoriert werden. Pauschale flächenbezogene Prämien lehnt der NABU dagegen entschieden ab.

  • Wälder im öffentlichen Eigentum sind im Sinne der Ökosystemleistungen vorbildlich zu managen.

  • Ein Verbot aller umweltschädlichen Industrietätigkeiten sowie des Ausbaus der Infrastruktur in allen Wäldern.

  • Weitgehender Schutz des Waldes vor Windkraftplanungen. Es dürfen nur nach klaren Kriterien bereits gestörte Waldbereiche in Randlagen für Planungen in Erwägung gezogen werden.

  • Alle verbleibenden Primär- und alte Sekundärwälder sind gemäß der EU-Strategie zu erfassen, zu überwachen und strikt zu schützen.

  • Ein naturverträglicher Waldumbau mit standortangepassten und ausschließlich europäischen Baumarten (bspw. ohne Douglasie oder Küstentanne).

  • Beendigung großflächiger Einschläge und der Räumung von Kalamitäts- und Schadflächen im Staatswald.


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