75 Jahre NABU Niedersachsen und Ehrenamt
Rückgrat der Naturschutzarbeit
Etwa 8.500 NABU-Aktive aus rund 200 Gruppierungen führen Projekte, praktische Naturschutzarbeit oder Umweltbildung durch. Die Vielfältigkeit dieser Tätigkeiten lässt sich nur schwer zusammenfassen. Anhand von sieben Regionen Niedersachsens, die schon länger durch NABU-Regionalgeschäftsstellen (RGS) abgedeckt sind, sollen die Aktivitäten exemplarisch dargestellt werden:
Hanna Wiegmann, RGS Emsland/Grafschaft Bentheim, zum Moorschutz:
„Der Moorschutz hat im Emsland und in der Grafschaft Bentheim einen hohen Stellenwert. In diesem Gebiet gibt es noch mehrere Moorflächen, die aktiv zum Klimaschutz beitragen. Diese Flächen werden durch Ehrenamtliche vor Ort betreut undgepflegt..
Teilweise konnten in Absprache mit der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde des jeweiligen Landkreises Flächen wiedervernässt werden. Dadurch ist Moorschutz nicht nur Klima- sondern auch Artenschutz. Durch den Schutz vor Ort wird der Lebensraum Moor für spezialisierte und bedrohte Arten wie Ziegenmelker, Schwarzkehlchen oder Moorfrosch erhalten. In den Gebieten kommen außerdem Moosbeere, Rosmarinheide, das übersehende Knabenkraut und Sumpfstendelwurz vor.
Zu den vom NABU gepflegten Mooren gehören das Dalum-Wietmarscher Moor, das Naturschutzgebiet Theikenmeer, das Esterfelder Moor, das Fullener Moor, das Dörgener Moor und das Fehndorfer Moor.
Die Pflegemaßnahmen in den Mooren werden teils schon seit über 20 Jahren durchgeführt. Durch die intensive Pflege können zahlreiche Lebensräume erhalten und wiederhergestellt werden.“
Andrea Pohlen, RGS Heide-Wendland, zum Storchenschutz:
„Der Weißstorch ist Wappenvogel des NABU und war aufgrund seiner Gefährdung bereits zweimal Vogel des Jahres. Für seinen Schutz setzt sich neben der Landesarbeitsgruppe Weißstorchschutz und einer Vielzahl von NABU-Gruppen niedersachsenweit auch die NABU-Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg verstärkt ein.
Seit vielen Jahren engagieren sich zahlreiche Ehrenamtliche im Landkreis mit großem Erfolg! Während in den 80er Jahren gut 30 Brutpaare zu beobachten waren, sind es inzwischen mehr als doppelt so viele. Maßgeblich für diesen Erfolg ist die gute Zusammenarbeit der NABU-Gruppe mit den Anwohnenden und der Freiwilligen Feuerwehr, die mit ihren Einsatzfahrzeugen immer wieder die Arbeit in luftiger Höhe unterstützt. Gemeinsam kontrollieren sie das Brutgeschehen und bergen kranke oder verletzte Störche, die von Storchenbetreuenden in Pflege genommen werden. Bei einem längeren Krankenstand werden einzelne Tiere zum NABU-Artenschutzzentrum nach Leiferde gebracht.
Um das Zugverhalten der Tiere beobachten zu können, wurden seit 2006 allein in Lüchow-Dannenberg über 1.000 Jungstörche beringt. So lässt sich feststellen, welche Tiere im kommenden Jahr wieder zurückgekehrt sind und ob ehemalige Pfleglinge ihre Reise in den Süden gut überstanden haben.
Auch außerhalb der Brutsaison gibt es viel zu tun: Dann errichten die Aktiven Storchennisthilfen und sanieren oder ersetzen ältere Nistplätze. Ein Ziel ist die Genehmigung eines Verkehrsschildes für Störche, da die Tiere immer wieder in Verkehrsunfälle verwickelt sind.“
Oliver Kraatz, RGS Oldenburger Land, zu 100-jähriger Ehrenamtstätigkeit:
„Im Oldenburger Land reicht die ehrenamtliche Naturschutzarbeit bis in das Jahr 1922 zurück und leistet damit seit 100 Jahren einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Umwelt! Als Ornithologische Gesellschaft zu Oldenburg gegründet und im ganzen Oldenburger Land aktiv, besteht diese heute als Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Oldenburg (OAO) als Fachgruppe der NABU-Bezirksgruppe Oldenburger Land.
Die Ornithologie ist das Ankerthema des Naturschutzes im Oldenburger Land. Die Erfassung und Auswertung der Vogelbestände nimmt einen breiten Raum ein. Seit den 1970er Jahren gibt die OAO ein Mitteilungsblatt heraus und seit Jahrzehnten werden Arbeitsgemeinschaften für Schleiereulen oder Steinkäuze ehrenamtlich geleitet. AGs, die sich mit Fledermäusen oder Schmetterlingen beschäftigen, ergänzen diese seit den 90er Jahren.
Im Mai 1993 wurde die Geschäftsstelle in Oldenburg, damals mit 10 Gruppen und 840 Mitgliedern im ganzen Oldenburger Land, als erste regionale Geschäftsstelle des NABU in Niedersachsen eröffnet. Von dort aus werden die ehrenamtlichen Gruppen betreut, die seitdem um 30 neue Gruppen angewachsen sind. Die Mitgliederzahl hat sich in diesem Zeitraum sogar fast verzwanzigfacht.
Verzahnt zwischen Ehren- und Hauptamt werden in der Region zahlreiche Projekte umgesetzt. Im Jubiläumsjahr selbst und in der Zukunft sind weitere Projekte, Exkursionen und Veranstaltungen sowie Gruppenneugründungen geplant.“
Jan Schürings, RGS Ostfriesland, zu Umweltbildung:
„Fernab großer Städte, im deutsch-niederländischem Grenzgebiet liegt das Rheiderland. Bis zum Horizont reichen hier die endlosen Wiesen und Weiden, auf denen noch die Kühe der traditionellen Milchbauern weiden. Der angrenzende Nationalpark Wattenmeer und die tidebeeinflusste Ems sind ein wichtiger Bestandteil dieser ursprünglichen Landschaft. Im Winter leben hier Tausende Wildgänse, im Sommer vor allem Wat- und Wiesenvögel. Große Schwärme von Goldregenpfeifern, Brachvögeln und Alpenstrandläufern sorgen im Herbst und Frühling für Aufsehen.
Für diese einzigartige Landschaft und Artenvielfalt begeistern die Nationalparkführenden und Vogelexpert*innen des NABU Rheiderland Menschen auf angebotenen Exkursionen. Sie sensibilisieren die Gäste bei einem Picknick mit regionalen Zutaten für Themen rund um Natur und Umwelt und ermöglichen es, den Wildgänsen ganz nah zu sein. Seit der Coronapandemie werden manche Exkursionen mithilfe von Walkie-Talkies durchgeführt: die Gäste fahren im eigenen Pkw durch das Rheiderland und erfahren über Funk alles Wissenswerte.
Aber auch die sehr beliebte Fahrt mit dem Kutter „Heike“ auf der Ems bietet die Möglichkeit, die Vogelwelt einmal aus einer anderen Perspektive zu beobachten und die wunderbaren Eindrücke in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Bei der Zugvogelbeobachtung am Dollart auf der Bohrinsel bei Dyksterhusen (Jemgum) können kleine und große Vogelinteressierte Zugvögel bestaunen.
Die NABU-Aktiven vermitteln so ganz nebenbei, wie wichtig eine gesunde Umwelt für uns alle ist.“
Josefine Beims, RGS Südost-Niedersachsen, zu Streuobstwiesen:
„Schon seit Jahrhunderten sind Streuobstwiesen ein wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Ihre Entstehung hat zwar keinen natürlichen Ursprung, trotzdem bieten sie einen wertvollen Lebensraum für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Dies hängt mit der Form der Bewirtschaftung zusammen: Auf Streuobstwiesen werden in der Regel keine Pestizide und künstlicher Dünger eingesetzt. Man erkennt sie besonders gut an den hochstämmigen Bäumen. Zudem werden alte und robuste Obstsorten genutzt.
In Südost-Niedersachsen engagieren sich viele NABU-Ehrenamtliche auf Streuobstwiesen:
Gleich für fünf Streuobstwiesen ist der NABU Meinersen in Flettmar, Müden und Meinersen verantwortlich. Auf den Streuobstwiesen befinden sich zwischen 40 und 80 Obstbäumen. Die Besonderheit ist das automatische Bewässerungssystem. Über einen Brunnen und eine Pumpe wird ein Tropfsystem angetrieben, das auch in langen Trockenperioden dafür sorgt, dass die Obstbäume ausreichend bewässert werden.
Die Streuobstwiese der NABU-Gruppe Isenbüttel in Wasbüttel wurde 1988 im Rahmen einer Flurbereinigung angelegt. Mit über 270 Hochstammbäumen gehört sie zu den größeren Streuobstwiesen. Ein Strohballenhaus und eine Multifunktionshütte bieten Räumlichkeiten für Veranstaltungen. Die Streuobstwiese ist nicht nur Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sondern wird auch von Menschen gern zur Naherholung genutzt.“
Britta Raabe, RGS Weserbergland, zu Renaturierung:
„Mit Unterstützung von fast 200 Helfenden haben die Aktiven des NABU Bad Münder im Jahr 2020 das größte Insektenschutzprojekt Niedersachsens realisiert: Sie renaturierten während eines ‚Großen Pflanzfestes‘ den ‚Schiefen Brink‘, eine ehemalige landwirtschaftliche Fläche, und pflanzten in kurzer Zeit über 2.500 Feldgehölze.
Der Kauf der Fläche wurde durch Insektenschutzprogramme des Bundes und des Landes Niedersachsen möglich. Auf einer Fläche von 5 Hektar entstehen durch die Renaturierung vielfältige Magerwiesen und strukturreiche Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Neben den Feldgehölzen vervollständigen 40 große Bäume und eine Streuobstwiese die Fläche.
Nur dank der freiwilligen Helfenden sowie eines großartigen Vorbereitungsteams, das über Wochen und Monate das ‚Große Pflanzfest‘ vorbereitet hat, war es möglich, dass diese Aktion so erfolgreich wurde. Es zeigt, dass Großartiges möglich ist, wenn sich auch in schwierigen Zeiten viele Menschen engagieren.
Den NABU-Aktiven in Bad Münder ist es ein wichtiges Anliegen, ländliche Gebiete als wirtschaftlich, ökologisch und sozial lebensfähige Lebensräume zu erhalten – also die Lebensbedingungen in ländlichen Räumen zu verbessern, Umwelt- und Naturschutz voranzutreiben sowie die lokale Identifikation zu unterstützen. Mit dem Projekt ‚Insektenwiese Schiefer Brink‘ wird genau daran gearbeitet – eine enorme Leistung der Ehrenamtlichen!“
Leonie Jordan, RGS Weser-Mitte, zu Umweltbildung für Kinder & Jugend:
„Seit 2015 ist ‚Schessi‘ das Maskottchen des Familienprogramms vom NABU Nienburg. Ein Umweltbildungsangebot, das allen Menschen aus der Region und darüber hinaus offensteht. Die monatlich angebotenen Workshops in der Geschäftsstelle in Verden sowie landkreisweite Exkursionen laden ein, Spannendes selbst zu entdecken und zu erforschen!
In diesem Jahr stehen Nisthilfenbau, Seifenherstellung und vieles mehr auf dem Programm. Die Auslegung der Aktionen für eine große Altersspanne der Teilnehmenden gehört ebenso zum Erfolgsrezept wie detailreiche und sorgfältige Vorbereitungen, hochwertige Materialien und ein komplexes Gesamtkonzept. Theorie gibt es zu jedem praktischen Teil gleich mit dazu! Wissenswertes zum Thema wird anschaulich und leicht verständlich vermittelt.
Organisiert wird die Veranstaltungsreihe von einem Kernteam Ehrenamtlicher. Viele weitere Aktive tragen zum Gelingen der Aktionen bei. Der Zuspruch ist mit 20 bis 60 Teilnehmenden so enorm, dass eine Veranstaltung pro Thema meist nicht mehr ausreicht und mehrere Termine an einem Wochenende angeboten werden. Für alle Kinder gibt es außerdem den NABU-Entdeckerpass zum ‚Schessi-Stempel‘ sammeln.
Aus den Konzepten dieses erfolgreichen Programms sind schon viele Kooperationen und weitere Bildungsangebote für Vereine, Schulen, Kindergärten und die NAJU-Gruppen erwachsen.“