Landwirtschaft – Extensive Beweidung und ökologischen Landbau fördern!
Die landwirtschaftliche Flächennutzung hat in Niedersachsen einen atemberaubenden Wandel durchgemacht. Dauergrünland hat enorm abgenommen und enthält selten mehr als drei Grasarten. Dafür wächst überall Mais, der für die Biogasanlagen gebraucht wird. Vergebens sucht man vielerorts Wildvögel und tiere. Der Rückgang der Bekassine in unserem Bundesland liegt bei 90 Prozent. Auch landwirtschaftliche Nutztiere sind nur noch selten auf der Weide zu sehen und extensive Beweidung ist auf dem Rückzug. Dabei trägt diese wegen ihrer Humusbildungsrate zur CO2-Speicherung bei, konventionelle Ackernutzung in der heutigen Form dagegen verbraucht Humus und reduziert damit die Speicherfähigkeit des klimaschädlichen Gases. Die Artenvielfalt nimmt rasant ab und die Insektenvielfalt und - menge verzeichnet dramatische Einbußen. Der Ausbau des ökologischen Landbaus in Niedersachsen muss weiter vorangetrieben werden und nachhaltige, ressourcenschonende Landnutzung durch eine Verringerung des Pestizideinsatzes sollte das Ziel sein. Um einen weiteren Verlust der Biodiversität in der Agrarlandschaft zu verhindern, muss die künftige Landesregierung konkrete Maßnahmen hierfür auf den Weg bringen.
Unsere Forderungen an die neue Landesregierung
Um die Renaturierung von CO2-Senken in der Landwirtschaft voranzutreiben und dabei automatisch die biologische Artenvielfalt zu unterstützen, fordert der NABU folgende Dinge:
Situation der Landwirtschaft in Niedersachsen
Eine vermehrte extensive Beweidung, eine Steigerung des Ökolandbaus und die Umwandlung von Acker in artenreiches Grünland würden einen deutlich messbaren Effekt bei der Einsparung von CO2-Emissionen und eine Steigerung der Artenvielfalt mit sich bringen. Es könnten sogar neue CO2-Senken entstehen beziehungsweise alte reaktiviert werden.
Der ökologische Landbau ist in Niedersachsen allerdings noch stark unterrepräsentiert:
Von mehr als 1.866.000 Hektar Ackerland wurden 2020 nur 55.550 Hektar ökologisch bewirtschaftet (dies entspricht 2,98 Prozent). Von den gut 684.000 Hektar Dauergrünland wurden nur 64.000 Hektar nachhaltig genutzt (fast 9,4 Prozent; insgesamt 4,7 Prozent). Das im Niedersächsischen Weg bereits vereinbarte Ziel von 10 Prozent bis 2025 und 15 Prozent bis 2030 muss konsequent weiterverfolgt werden.
Zugleich fordert die niedersächsische Landesregierung, die wenigen zukunftsgerichteten Errungenschaften der kommenden EU-Agrarpolitik aufgrund der Auswirkungen des Ukrainekrieges auszusetzen. Dies würde allerdings das Artensterben in der Feldflur noch einmal anheizen.
Hierbei geht es insbesondere darum, die ab 2023 geltenden Brachflächen von 4 Prozent der Agrarfläche zurückzunehmen. Stattdessen gäbe es deutlich effektivere Maßnahmen, um mehr Nahrung für den Menschen bereitzustellen: So könnte der Pflanzenanbau für Biosprit eingeschränkt werden. Auch die Tierhaltung sowie der damit verbundene Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion müssen kurzfristig überdacht und mittelfristig reduziert werden.
Die Weiterführung und Weiterentwicklung des Niedersächsischen Weges mit entsprechender langfristig gesicherter Finanzierung ist zwingend notwendig. Sofern keine Weiterführung beschlossen wird, fallen ab 2025 30 Millionen von den rund 100 Millionen pro Jahr bisher bereitgestellten Landesmittel weg.
Erfolgreiche Praxiserfahrung: Extensive Beweidung steigert die Artenvielfalt und speichert CO2
Eine naturschutzgerechte Beweidung mit Großtieren wie beispielsweise Rindern oder Pferden, aber auch Schafen und Ziegen trägt ganz wesentlich dazu bei, Landschaften zu pflegen und zu entwickeln und leistet somit einen entscheidenden Beitrag zum Artenschutz und zur Artenvielfalt eines Gebietes. Schon seit Beginn der landwirtschaftlichen Flächennutzung waren Weiden ein wesentlicher Bestandteil der Agrarlandschaft. Durch extensive Beweidung entstehen Mosaike aus kurzrasigen und staudenreichen Flächen, die gerne von Vögeln zur Nahrungsbeschaffung genutzt werden. Auch viele Insektenarten fühlen sich auf extensiv beweideten Flächen wohl. Neben dem NABU Woldenhof in Ostfriesland, der seit Jahrzehnten mit rückgezüchteten Wildrindern und Wildpferden Flächen artenreich entwickelt, kommen in einigen NABU-Projekten auch Wasserbüffel zum Einsatz. Vor allem die Ökologische NABU-Station Oste-Region (ÖNSOR) hat Erfahrung mit diesen Weidetieren gemacht und betreibt erfolgreich extensive Landwirtschaft.
2019 konnte die ÖNSOR in enger Zusammenarbeit mit dem Landkreis Rotenburg und örtlichen Beteiligten drei Beweidungsprojekte mit Wasserbüffeln im FFH-Gebiet „Oste mit Nebenbächen“ initiieren. Die Weideflächen im Projektgebiet sind geprägt von einem Mosaik aus Grünland, Großseggenried, Röhricht, Feuchtbrachen, Kleingewässern, Bruchwäldern, Gehölzgruppen sowie Trockenrasen und Heiden. Die Projektpartner haben die Wasserbüffel gezielt eingesetzt, um seltene und besonders bedrohte Arten zu fördern und das Gebiet für Wiesenvögel als Lebensraum und Nahrungshabitat ökologisch aufzuwerten. Der Dung der Büffel lockt Insekten an und bietet somit auch Fledermäusen, Amphibien, Reptilien und anderen Arten ausreichend Nahrung. Zudem wird der Dung insbesondere unter Mittätigkeit von Dungkäfern in den Boden eingearbeitet und dort zu Humus. Gerade feuchte Böden können so besonders viel CO2 speichern. Darüber hinaus schaffen die Weidetiere Wasserflächen oder halten diese durch ihr Suhlen aktiv offen, was die Lebensraumqualität für an Wasser gebundene Arten optimiert.
Wasserbüffel eignen sich aufgrund ihrer Genügsamkeit, geringer Trittschäden und der Schaffung sowie Erhaltung von Wasserstellen durch Suhlen in besonderer Weise zur Entwicklung dieser komplexen Lebensräume. Die Tiere sind anspruchslos und fressen auch harte Pflanzenbestände wie Rohrglanzgras, Brombeere, Brennnessel und Neophyten wie Indisches Springkraut oder Gehölze und schaffen damit eine Struktur aus hoch- und niedrigwüchsigen Beständen. Dadurch entsteht ein vielfältiges Gebiet für zahlreiche wild lebende Tierarten. Vor allem stark gefährdete Arten wie Kiebitz oder Bekassine profitieren vom Einsatz der Wasserbüffel.