Gewässer - Ökosysteme und Trinkwasserversorgung sichern!
Niedersachsen weist eine Vielzahl an Wasserflächen auf: Von kleinen Tümpeln über Kiesteiche bis hin zu großen Seen wie dem Steinhuder Meer sind zahlreiche Stillgewässer vertreten. Bäche im Harz, Siele in Ostfriesland und Beetgräben im Alten Land sowie die großen Ströme Elbe, Weser und Ems mit ihren zahlreichen Nebenflüssen erweitern die Wasserflächen in Niedersachsen. Und schließlich – über eine Deichlänge von 610 Kilometern und darüber hinaus – erstreckt sich Niedersachsens Nordseeküste und das Wattenmeer. Doch all diese Lebensräume sind starken Belastungen ausgesetzt: Eutrophierung durch landwirtschaftliche Nutzung anliegender Flächen, Begradigung und Sauerstoffmangel in zahlreichen Fließgewässern sowie Nutzungskonflikte im Küstenbereich sind nur einige wichtige Punkte. Die jüngsten Dürre- und Überflutungsereignisse, die sich in Zukunft aufgrund des Klimawandels verstärken werden, machen deutlich, dass dem Wasser wieder mehr Spielraum gegeben bzw. dieses im Land gehalten werden muss. Außerdem benötigen wir Grund- und Oberflächenwasser zum Erhalt unserer Trinkwasservorkommen – versiegen die Quellen oder werden diese durch Belastung unbrauchbar, droht der Verlust unserer wichtigsten Lebensgrundlage.
Unsere Forderungen an die neue Landesregierung
Zum Erhalt ökologisch lebendiger Fließ- und Stillgewässer im Land, zur Förderung der dazugehörigen Ökosysteme und zum Schutz der Küste und des Wattenmeeres fordert der NABU Niedersachsen:
Zustand der Gewässer und Küste in Niedersachsen
Fließgewässer stellen einen wesentlichen Teil des Biotopverbundsystems dar. Naturnahe Flüsse und Bäche sind nicht nur äußerst artenreiche Lebensräume, sondern auch attraktive Landschaften für eine naturbezogene Erholung. Der überwiegende Teil unserer Gewässer ist aber in einem morphologisch sehr schlechten Zustand. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet, die Gewässer – eigentlich schon bis 2015 – in einen guten ökologischen Zustand zu überführen. Einige Gewässer unterstehen zusätzlich dem europäischen Naturschutz, das heißt, es besteht die Verpflichtung, die entsprechenden Lebensräume und Arten in einen guten Zustand zu bringen. Darüber hinaus müssen bei der Umsetzung von Gewässerentwicklungskonzepten die in der WRRL formulierten Ziele zur Verbesserung von wasserabhängigen Landökosystemen und Feuchtgebieten eine starke Berücksichtigung finden.
Diese Notwendigkeit zeigt sich auch mit Blick auf die aktuelle Situation in Niedersachsen: So ist das Grundwasser mit Nitrat, Pestiziden und anderen Rückständen wie Medikamente-Inhaltsstoffen und Mikroplastik stark belastet. Auch der durch den Gewässerausbau entstandene Verlust natürlicher Gewässerstrukturen und Auengebieten stellt eine starke Einschränkung dar. Begradigungen und Eindeichungen beeinflussen die Gewässerform und beeinträchtigen das Abflussgeschehen. Gleichzeitig verändert sich das Überflutungsverhalten in Auenbereichen. Stauwehre und Dämme sorgen für weitere Einschränkungen, so können Fische nicht mehr ungestört in ihre Laichgewässer wandern und viele Tiere stehen vor großen, unüberwindbaren – meist auch tödlichen – Hindernissen.
Darüber hinaus weisen 60 Prozent der Grundwasserstellen Belastungen auf bzw. sind 98 Prozent der niedersächsischen Fließgewässer in einem schlechten Zustand:
Nitrate und weitere Nährstoffe vor allem aus der Landwirtschaft belasten die Ökosysteme. Neben der Stoffbelastung bringt auch der Klimawandel weitere Probleme zutage: Die zunehmende Trockenheit führt in weiten Teilen des Landes zu sinkenden Grundwasserständen. Eine gleichzeitig steigende Entnahme des Grundwassers für Trinkwasser und für Landwirtschaft und Industrie verstärkt das Problem. Laut Grundwasserbericht weisen 7,7 Prozent der Messstellen in Niedersachsen einen stark fallenden, 15 Prozent einen fallenden Trend auf. Gleichzeitig weisen 88 Prozent der ausgewerteten Messstellen bereits sehr niedrige bzw. extrem niedrige Grundwassertiefstände auf, die auch bei Grundwasserhochständen mit 74 Prozent der Messstellen sehr niedrigen und extrem niedrigen Hochständen zugeordnet werden. Landesweit ergeben sich so schon jetzt extrem niedrige mittlere Grundwasserstände.
Infolge des Klimawandels muss mit der Gefahr zunehmender entgegengesetzter Extremwetterereignisse wie Dürre, Hochwasser oder Starkregen gerechnet werden. Diesen möglichen Ereignissen muss vorsorglich begegnet werden, um extreme Überflutungen, wie sie in Deutschland zuletzt öfter vorgekommen sind, zu vermeiden und Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen. Die Gewässer müssen zudem vor Eintragung von Nährstoffen und anderen Schadstoffen geschützt werden.
Im Küstenbereich machen sich Schadstoffe, die oberflächlich ausgespült und in Flüssen transportiert werden, ebenfalls bemerkbar. Zwar gelangen laut Umweltbundesamt immer weniger Nährstoffe in die Nordsee, doch gerade über Weser und Elbe werden aufgrund der Größe des Einzugsgebiets und der Abflussmenge die höchsten Stickstoff- und Phosphorfrachten in die Nordsee eingetragen. Extreme Niederschlagsereignisse, wie sie im Zuge des Klimawandels vermehrt auftreten können, führen zudem zu erhöhten Abflüssen und die Flüsse tragen dann noch mehr akkumulierte Altlasten und Stofffrachten mit sich.
Neben der Beachtung ökologischer Einflüsse muss auch der hohe Nutzungsdruck auf Küste und Wattenmeer reduziert werden: Tourismus, Schifffahrt, Küstenschutz und zuletzt auch neue Rohstoffgewinnung wie die Erdgasförderung vor Borkum und die Schaffung von sogenannten Energiedrehscheiben mit Anbindungen für Offshore-Windkraft und LNG-Terminals belasten dieses so wichtige und einzigartige Ökosystem. Nationalpark- und Weltnaturerbe-Status des Wattenmeeres dürfen nicht ignoriert werden.
Intakte Gewässer als Lebensgrundlage für Flora und Fauna - und den Menschen
Dass Wasserflächen der notwendige Raum bereitgestellt werden kann, zeigen zahlreiche positive Beispiele: Die Renaturierung der Aller trägt zum Erhalt wertvoller Auenflächen bei, die deutschlandweit stark zurückgegangen sind. Auf ihrem etwa 260 Kilometer langen Verlauf in die Weser stellt die Aller das wichtigste Vernetzungselement im Weser-Allertal dar. Zwischen Celle und der Mündung in die Weser, einst eine wichtige Schifffahrtsstraße, finden sich auch heute noch vielfältige und herausragende Lebensräume für Tiere und Pflanzen, die mithilfe des NABU-Projektes „AllerVielfalt Verden“ im Förderprogramm Auen erhalten oder wiederhergestellt werden sollen. Für die Aller sind winterliche Hochwasser und lang anhaltende sommerliche Niedrigwasserphasen typisch. Durch auch im Sommer vereinzelt auftretende Hochwasser werden die Auen durchschnittlich an 40 Tagen im Jahr überflutet. Diese dynamischen Lebensräume und natürlichen Vorgänge müssen erhalten bleiben, um geschützte Arten wie die Grüne und die Gemeine Keiljungfer, das Braunkehlchen oder seltene Pflanzen wie die Krebsschere oder die Schwanenblume zu bewahren.
Ein weiteres Beispiel ist die Naturschutzarbeit am Dümmer, Niedersachsens zweitgrößtem See. Hier ist der Naturschutzring Dümmer e. V., ein Zusammenschluss des NABU, des Mellumrates und der BSH, seit über 25 Jahren aktiv daran beteiligt, den Lebensraum See und die umgebenden Feuchtgebiete mit seiner Flora und Fauna zu sichern und zu unterstützen. Dazu gehören ausgeprägte Röhrichtflächen, Breitblättriges Knabenkraut, Vogelarten wie Trauerseeschwalbe oder Ziegenmelker sowie Amphibien, Reptilien, Säugetiere und Fische. Viele der Naturschutzprojekte laufen über mehrere Jahre und schützen bedrohte Arten gezielt durch Verbesserungen ihres Lebensraums oder zielen darauf ab, bereits ausgestorbene Arten wieder heimisch zu machen.
Folgt man den großen Flüssen Elbe, Weser und Ems bis zu ihren Ästuarien (Mündungen) und darüber hinaus, erreicht man die offene Nordsee – doch dazwischen liegt einer der bedeutendsten Lebensräume der Welt: das Wattenmeer. 500 Kilometer entlang der niederländischen, deutschen und dänischen Nordseeküste erstreckt sich das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und bildet das größte zusammenhängende Schlick- und Sandwatt der Welt. Es zeichnet sich durch natürliche dynamische Prozesse und einen weitgehend ungestörten Naturzustand aus. Auf einer Fläche von etwa 11.500 Quadratkilometern finden sich Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale und allein in den dazugehörigen Salzwiesen rund 1.800 Spinnen- und Insektenarten. Als zentrale Drehscheibe auf dem ostatlantischen Zugweg ist das Wattenmeer das vogelreichste Durchzugs-, Rast- und Brutgebiet Mitteleuropas für bis zu 12 Millionen Vögeln pro Jahr.