Warum man tote Käferbäume stehen lassen sollte
Tote Bäume schützen den Waldjungwuchs vor Klimaextremen
7. August 2019 -Der aktuelle Wunsch mancher Waldbesitzerinnen und -besitzer auf den aktuell entstehenden, großen Schadflächen schnell Ordnung zu schaffen ist sehr kostspielig und gefährdet die Entwicklung einer neuen, klimastabileren Waldgeneration. So lassen sich die Resultate von Untersuchungen nach dem Sturm Lothar zusammenfassen. Sie sind unter dem Titel „Warum tote Käferbäume stehen lassen“ von schweizerischen Forstwissenschaftlern veröffentlicht worden. Demnach sei es offensichtlich, dass das Fällen verlassener Käferfichten nichts zur Bekämpfung beiträgt.
Während das Nadelholzüberangebot durch den drastischen Preisverfall bis auf weiteres kaum sinnvoll zu vermarkten ist und die Räumung des toten Holzes extrem teuer macht, helfen belassene tote Bäume (aus denen der Käfer bereits ausgeflogen ist) nicht nur Kosten zu sparen, sondern schützen die Gehölzverjüngung. Sie helfen damit entscheidend bei der Regeneration der geschwächten Wälder. Denn die absterbende Baumgeneration versorgt die nachwachsenden Jungbäume mit lebenswichtigen Nährstoffen und Humus, verringert die Verdunstung des knappen Wassers, bremst die Windgeschwindigkeit, spendet Schatten bei Hitzewellen, vermindert Spätfrost und bietet Schutz vor Wildverbiss.
„Die großmaschinelle Räumung von geschädigten Waldflächen und folgende Pflanzung von Baumschulpflanzen in Reih und Glied macht alles nur noch viel schlimmer“, warnt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender NABU Niedersachsen. „So wird in Zeiten des Klimawandel die Entwicklung eines neuen stabilen Waldökosystems verhindert und alte Fehler werden wiederholt.“
Im Nationalpark Harz werden diese Erkenntnisse bei der Regeneration der geschädigten Bergwaldbereiche bereits genutzt. „Die Erfolge dieses Vorgehens sind anhand der Entwicklung älterer Schadflächen im Harz, aber auch beispielsweise im Nationalpark Bayerischer Wald, auf großen Flächen überzeugend zu belegen. Auch andere Waldbesitzerinnen und -besitzer können von diesen Beispielen profitieren“, ergänzt Dr. Carsten Böhm, Vorstandsmitglied des NABU Niedersachsen.
Folgende NABU-Positionen ergeben sich aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen:
- Eine großmaschinelle Räumung oder gar Bodenbearbeitung von geschädigten Waldflächen ist abzulehnen, darf nicht mit Steuermitteln finanziert werden und entspricht nicht einer guten fachlichen Praxis
- Vorrang für Naturverjüngung
- Vorrang für Laubbäume, die den Boden verbessern und mehr Grundwasser entstehen lassen
- Nutzung von „Vorwäldern“ aus Pionierbaumarten (Hänge- und Moor-Birke, Espe, Salweide, Vogelbeere, Schwarzerle), um die Standort-Devastierung der Schadflächen (Humus- und Nährstoffverlust, Erosion, Verlust des kühlen Wald-Binnenklimas) und die begleitenden Umweltschäden (Nitratauswaschung, Emission klimaschädlicher Gase, beschleunigter Wasserabfluss, Sedimentaustrag, fehlende CO2-Bindung) möglichst schnell abzumildern
- Ökosystemverträgliche Jagdausübung zur Sicherung der Gehölz-Verjüngung
Hintergrund:
Es muss nochmals betont werden, dass es hier nicht um das Stehenlassen von befallenen Fichten mit aktiver Borkenkäferbrut geht, sondern um solche, aus denen die Buchdrucker bereits ausgeflogen sind! Außerdem ist die Verkehrssicherungspflicht im Bereich von Wegen und Siedlungen selbstverständlich zu beachten!
Nach dem Sturm Friederike begann eine Massenvermehrung des Buchdruckers und Kupferstechers, die zum Absterben vieler Fichten führte und noch führen wird. Die Zwangsnutzung von Käfernestern (=eine Gruppe von Fichten, die gleichzeitig befallen sind) erfolgt vielerorts verspätet oder unterbleibt aus verschiedenen Gründen vollständig. Normalerweise muss die Zwangsnutzung der Bäume, um die "Kalamität" bei Befall der Fichten durch Borkenkäfer einzudämmen unabhängig von ihrer Wirtschaftlichkeit sofort erfolgen.
Was aber soll mit bereits verlassenen Käferbäumen gemacht werden?
Es ist offensichtlich, dass das Fällen dieser Fichten nichts zur Bekämpfung des Käferbefalls beiträgt. Die sich in der Brut entwickelnden, natürlichen Feinde (Antagonisten) und die natürlichen Regulationsmechanismen ihren Lauf zu lassen, ist im Verlaufe eines unbeeinflussten Befalls immer wirkungsvoller.
Das Entfernen von Einzelbäumen oder Baumgruppen schwächt den Bestand als Ganzes. Löcher im Bestand bieten dem Wind bessere Angriffsmöglichkeiten, es entstehen darin starke Turbulenzen. Dies lässt sie wiederum anfälliger werden auf weitere Stressfaktoren wie z. B. Borkenkäfer. Das Stehenlassen von Käferbäumen stellt einen weniger abrupten Übergang von einem geschlossenen in einen lückenhaften Bestand dar. Viele Totholzbewohner sind selten geworden und stehen auf Roten Listen.
Links zum Thema:
>>Borkenkäfer: www.pbmd.ch
>>Natürliche Feinde: www.waldinsekten.ch
>>Totholz: www.totholz.ch