Nach dem Waldbrand im Nationalpark Harz
Räumung von Totholz widerspricht Nationalpark-Gesetz
11. Oktober 2022- Nach dem Großbrand am Brocken im Harz Anfang September forderten mehrere politische Stimmen, das Totholz aus dem Nationalpark zu entfernen, weil dies ein Brandbeschleuniger sei. Der NABU hat dieser Forderung schon damals eine Absage erteilt. Trotzdem wird nun seit vergangenem Donnerstag bei Schierke Totholz aus dem Nationalpark Harz abtransportiert. Der NABU Sachsen-Anhalt und der NABU Niedersachsen fordern die beteiligten Akteure auf, die Räumung sofort zu stoppen.
Dr. Anne Arnold, Forstwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des NABU Sachsen-Anhalt: „Eine großflächige Beseitigung des Totholzes als Brandbekämpfungsmaßnahme ist absolut abzulehnen. Mit der Entfernung des toten Holzes wird ein wichtiger Teil des Waldökosystems entfernt und Lebensraum zerstört. Totholz bildet die wichtigste Grundlage für Artenvielfalt im Wald. So benötigen circa ein Viertel aller waldbewohnenden Arten mindestens in einer Phase ihres Lebens Alt- oder Totholz. Mit der Totholzräumung verändert sich also auch die holzabhängige Organismengruppe bezüglich Artenvielfalt sowie Artenzusammensetzung. Das widerspricht dem fundamentalen Gedanken des Prozessschutzes, welcher in der Kernzone eines Nationalparks maßgeblich ist.
Außerdem hat die Beseitigung starke Auswirkungen auf die Kohlenstoffspeicherung in Wäldern. Durch liegendes Totholz wird ein nicht unbeachtlicher Anteil an Kohlenstoff in den Boden eingetragen, was der Klimakrise entgegenwirkt. Nicht zuletzt erfordert die Beseitigung den regelmäßigen Einsatz schwerer Forstmaschinen und wäre durch die steile Topografie und den felsigen oder moorigen Untergrund im Harz erschwert. Derzeit ist der Waldboden zudem in den meisten Regionen aufgeweicht und sehr sensibel – es muss mit irreversiblen Schäden an den Böden gerechnet werden, wenn dieser jetzt mit schwerem Gerät befahren wird.“
Totholz bindet Feuchtigkeit im Wald
Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen: „Das großflächige Räumen von Totholz widerspricht ganz klar den Kriterien eines Nationalparks und dem Nationalpark-Gesetz. Zudem ist Totholz kein Brandbeschleuniger, sondern ein wichtiger Bestandteil im Ökosystem Wald. Es bindet viel Feuchtigkeit und wirkt auf diese Weise sogar als natürlicher Schutz vor Waldbränden! Eine erhöhte Brandgefahr gegenüber lebenden Beständen besteht nicht. Außerdem lassen sich bodennahe Feuer mit Einbezug des Totholzes meist besser kontrollieren als Kronenfeuer in Nadelwaldbeständen.
Totholz bildet eine wertvolle Humusschicht und bietet somit unzähligen Organismen wie Pilzen und Insekten einen Lebensraum. Totes Holz gefährdet den Wald nicht, sondern stärkt seine natürlichen Abwehrkräfte. Nicht Wälder mit abgestorbenem Holz sind anfällig für Brände, sondern dichtstehende Nadelholzplantagen, dessen Streu und Holz meist durch nicht natürliche Ursachen schnell in Brand geraten können. Im Nationalpark Harz soll sich der Wald auf natürliche Weise zu einem Mischwald entwickeln – dies ist zwingend notwendig, um den Wald zukünftig krisenfest und widerstandsfähiger gegen Waldbrände zu machen.“
Die wichtigste Brandprävention sei es deshalb, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Dies sei auch deshalb essentiell, weil der Mensch Hauptverursacher von Waldbränden ist. Rund 17 Prozent der Brände sind die Folge von Brandstiftung, knapp 23 Prozent werden durch Fahrlässigkeit verursacht. Nur ein Prozent der Brände ist auf natürliche Ursachen wie Blitzeinschlag zurückzuführen. Der NABU Sachsen-Anhalt und der NABU Niedersachsen fordern daher, dass das gute Brandüberwachungssystem in Deutschland weiter ausgebaut wird. So tragen strukturelle Maßnahmen, z. B. Feuerwachtürme und Löschwasserbevorratung im Wald, ihren Teil zur Brandprävention und -bekämpfung bei. Dabei ist eine Zusammenarbeit von Brand- und Umweltschutz unbedingt notwendig, um den Wald und sein einzigartiges Ökosystem zu erhalten.
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