Großsäuger des Wattenmeers: Die Kegelrobbe
Unser größtes heimisches Raubtier
Lange Zeit war die Kegelrobbe aus dem Wattenmeer praktisch verschwunden. Der Grund dafür ist die exzessive Bejagung des Meeressäugers. Erst als die Kegelrobbe unter Schutz gestellt wurde und Schutzgebiete ausgewiesen wurden, u.a. der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, erholten sich die Bestände. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wanderten erste Tiere aus britischen Gewässern wieder ins Wattenmeer ein. Inzwischen gibt es eine jährliche Populationszunahme von ca. 9 Prozent. So wurden bei der diesjährigen Zählung (2020) im Wattenmeer und Helgoland 7.649 Kegelrobben gezählt, davon 587 Tiere im Gebiet Niedersachsen und Hamburg.
Die meisten Kegelrobben des Wattenmeers tummeln sich vor der holländischen Küste. Doch auch in dänischen Gewässern leben einige Hundert Tiere. Das bedeutet, dass Kegelrobben ihr Verbreitungsgebiet inzwischen über das gesamte Wattenmeer ausgedehnt haben. Dennoch sind die Kegelrobben noch immer noch seltener im Wattenmeer anzutreffen als ihre Verwandten, die Seehunde.
Woher hat die Kegelrobbe ihren Namen?
Charakteristisch für die Kegelrobben ist ihr langgezogener Kopf. Daher - oder von den kegelförmigen Zähnen - kommt ihr deutscher Name. Wer es kurioser mag: Der wissenschaftliche Name Halichoerus grypus bedeutet soviel wie 'hakennasiges Schwein des Meeres'. Bei den männlichen Tieren ist die markante, langgestreckte Kopfform besonders deutlich ausgeprägt. Im englischsprachigen Raum bezeichnet man die Kegelrobbe daher auch manchmal als 'horsehead seal'. Dies ist treffender als die offizielle Bezeichnung „Grey Seal“ – grauer Seehund, denn Kegelrobben sind keineswegs schlicht grau: Anders als bei den meisten Robbenarten können die Geschlechter und sogar die einzelnen Individuen anhand der Fellzeichnung unterschieden werden. In der Regel sind die Männchen dunkler als die Weibchen. Dabei haben sie helle Flecken auf dem Fell. Die Weibchen hingegen sind auf hellem Grund dunkel gezeichnet.
Lebensweise
Nur ein Fünftel ihres Lebens verbringen Kegelrobbe am Ruheplatz an Land. Dort paaren sie sich, säugen ihre Jungen, wechseln das Fell und auch die Geburt des Nachwuchses findet im Winter auf den Sandbänken oder den Dünen statt. Sonst leben sie im Wasser, wo sie dank ihres stromlinienförmigen Körpers geschickt auf Jagd nach Fisch, ihrer Leibspeise, gehen. Besonders gern frisst die Kegelrobbe Dorsch, Scholle, Sandaal und Hering. Zur Jagd können sich die Robben in wenigen Tagen mehrere hundert Kilometer von ihren Liegeplätzen entfernen und bis zu 140m tief tauchen.
Zur Fortpflanzungszeit finden sich Kegelrobben an den Küsten zu kleinen Kolonien zusammen. Diese bestehen aus bis zu zehn Weibchen und einem Männchen. Für die Geburt ihrer Jungen suchen die Kegelrobbenweibchen trockene Liegeplätze auf. Sie bringen pro Jahr ein Jungtier zur Welt, das bis zu drei Wochen gesäugt wird. In dieser Zeit nimmt das Jungtier dank der fettreichen Milch bis zu zwei Kilogramm am Tag zu.
Jungtiere im weißen Fell
Die jungen Kegelrobben kommen mit einem hellen, flauschigen, nicht wasserdichten Fell auf die Welt. Es wird auch "Lanugo" genannt. Ungefähr nach sechs Wochen wird es durch das normale Fellkleid ersetzt. Erst dann verlassen die Jungen die Wurfbank und gehen das erste Mal ins Wasser. Sie sind nun selbständig und wandern weit in die Nordsee hinaus.
Sobald die Jungen entwöhnt sind, nach etwa vier Wochen, paart sich das Männchen mit den Weibchen seines "Harems". Die Bullen verteidigen in dieser Zeit ihre Strandabschnitte und tragen heftige Revierkämpfe aus, bei denen so manch ein Rivale die Arena mit blutenden Bisswunden verlässt. Die Tragzeit beträgt bei den Kegelrobben, verzögert durch die sogenannte Keimruhe, ein knappes Jahr. An die Fortpflanzungszeit schließt sich der jährliche Fellwechsel an.
Merkmale
Die Kegelrobbe gehört wie der Seehund zu den Hundsrobben. Sie besitzen keine Ohrmuscheln und haben kleine Vorderflossen, ihre Hinterflossen benutzten sie beim Schwimmen als Antrieb. An Land wirken sie deshalb oft schwerfällig. Alle Robben haben einen gut ausgeprägten Geruchssinn. Druck- und Strömungsänderungen werden über die Barthaare wahrgenommen.
Imposante Kegelrobben-Männchen
Männliche Kegelrobben werden bis zu 2,3 m lang und 330 kg schwer. Weibchen wiegen nur die Hälfte bei bis zu 190 cm Länge. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede (=Sexualdimorphismus) sind bei Kegelrobben stark ausgeprägt. So sind auch die Kopfform und die Nackenpartie der Männchen erheblich robuster und massiger.
Verwechseln kann man die Kegelrobbe lediglich mit dem Seehund. Dieser hat jedoch eine deutlich rundere Kopfform und ist auch wesentlich kleiner. Sollten Sie also bei einer Fahrt zu den Seehundbänken oder von den Fähren aus einmal einen besonders große Robbe mit kegelförmigem Kopf sehen, können Sie davon ausgehen, einer Kegelrobbe begegnet zu sein.
Gefährdung und Schutz
Die Kegelrobbe steht am Ende der Nahrungskette und hat im Wattenmeer keine natürlichen Feinde.Die größte Gefahr für die Kegelrobben geht vom Menschen aus, vor allem durch Verschmutzung und Vermüllung der Meere, Fischerei und den Verlust des Lebensraums.
Die Kegelrobbe ist eine durch das Bundesnaturschutzrecht besonders geschützte Art. Auf der Roten Liste wird sie mit der Gefährdungsstufe zwei ("stark gefährdet") geführt. Auf EU-Ebene schützt die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie die Kegelrobbe als streng zu schützendes Wildtier mit der Möglichkeit der Nutzung. Darüber hinaus ist zwingend die Einrichtung von Schutzgebieten vorgeschrieben.
Kegelrobben beobachten
Kegelrobben lassen sich gut auf ihren Ruheplätzen an Sand- und Kieselstränden und an Felsenküsten beobachten, am besten von einem Schiff aus (Fernglas nicht vergessen!). An vielen Orten der Nordseeküste bieten Reedereien solche Schiffstouren an. Wir empfehlen Erlebnisfahrten mit den zertifizierten Nationalpark-Partnerbetrieben. Kegelrobbenkolonien gibt es im Bereich der Knobsände vor Sylt und Amrum, auf der Kachelotplate westlich von Juist sowie nahe der holländischen Insel Terschelling. Die größte deutsche Kolonie hat sich außerhalb des Wattenmeeres auf der Helgoländer Düne angesiedelt. Dort hat man die Möglichkeit, Seehunde und Kegelrobben zu erleben.