Hummel-Erfassung in Niedersachsen
Hummeln in Not
Hummeln erfreuen sich in der Bevölkerung großer Sympathie. Wer in seinem Garten oder Wohnumfeld ein reiches Blütenangebot schafft oder sogar einen Hummelkasten für die Erdhummel anbietet, könnte denken, damit geht es allen Hummeln besser. Dem ist leider nicht so. Abgesehen von den sieben häufigen Hummelarten sind fast alle anderen staatenbildenden Arten von extremen Bestandseinbrüchen betroffen. Offenlandarten wie Moos-, Deich- oder Sandhummel lassen sich im Siedlungsraum nicht fördern.
Genau um diese Arten kümmert sich seit Mitte 2013 das NABU-Projekt „Hummelschutz in Niedersachsen“ des NABU Niedersachsen: Aktuelle Bestandserhebungen bestätigen die Befürchtungen – viele Hummeln sind zu echten Raritäten geworden und gehören zu den am stärksten gefährdeten Wildbienenarten. Bis vor rund 50 Jahren waren diese Arten in einer extensiv genutzten, kleingliedrigen Agrarlandschaft mit strukturreichen Säumen und einem bis in den Spätsommer reichendem Blütenangebot nahezu allgegenwärtig. Vor allem große Vorkommen von Rotklee, Wicken und anderen Schmetterlingsblütler waren der Garant für einen reich gedeckten Tisch für viele Hummelvölker.
Diese großflächigen, blütenreichen Lebensräume sind inzwischen nahezu verschwunden. Aber nicht nur das, es fehlen den Hummeln auch ausreichend Nistmöglichkeiten. Die seltenen Arten nisten nicht im Boden, sondern vor allem in der verfilzten Krautschicht von Wegrändern, Säumen oder Moorheiden.
Weitere Gefährdungsfaktoren wie Umweltgifte, Verinselung oder Krankheiten und Parasitenbefall, übertragen von Bestäubungshummeln oder Honigbienen kommen hinzu. Doch auch diesen anspruchsvollen Arten kann noch geholfen werden. Landwirte, Landkreise oder Flächenbesitzer werden davon überzeugt, geeignete Areale hummelfreundlich zu bewirtschaften und zu gestalten. Dazu zählt die Verbesserung des Nahrungsangebotes im Hochsommer durch Aussaat hummelfreundlicher Pflanzen oder Nistbereiche vor einer zu frühen Mahd oder Viehtritt durch Auszäunung zu schützen.
Besonders motivierend sind für alle Beteiligten echte Begegnungen mit Hummeln. Das charakteristische Brummgeräusch der wunderschön eidottergelb-beige-gefärbten Mooshummeln inmitten blühender Rotklee- oder Glockenheidefläche bleibt ein einprägsames Naturerlebnis.
Stand der vorläufigen Erfassung im Februar 2016
Der NABU Niedersachsen hat bestehende Vorkommen seltener Hummelarten in Niedersachsen mit Hilfe von Hummelfreunden erfasst. Zudem sind in die Übersicht jetzt auch aktuelle Meldungen aus unveröffentlichten Gutachten, Erfassungen aus anderen Projekten und privaten Aufsammlungen von Wildbienenspezialisten mit eingeflossen. Es zeichnet sich folgende Tendenz ab:
- Von der Heidehummel liegen nun einige zerstreute Nachweise aus verschiedenen Landesteilen vor. Bevorzugte Lebensräume sind vor allem Moore, renaturierte Moorrandbereiche und Feuchtheiden.
- Die Bestände Mooshummel konzentrieren sich auf das Wendland und vor allem küstennahe Regionen (Wesermarsch, südlich von Cuxhaven und Ostfriesland). Hier sind extensive Grünländer der typische Lebensraum. Zwei aktuelle Fundorte gibt es aus binnenländischen Moorheidebiotopen, dem eigentlichen Primärlebensraum im Binnenland.
- Die Bunte Hummel (= Waldhummel) konnte im niedersächsischem Hügelland weiterhin nur sehr vereinzelt nachgewiesen werden. Gute Vorkommen gab es entlang der Elbe im Wendland. Bemerkenswert ist ein Nachweis von der Wesermündung.
- Einen weiteren Einzelfund gibt es von der Grashummel. Ein Männchen konnte auf einer im Rahmen des Hummelprojektes eingesäaten Vordeichsfläche an der Elbe im Wendland nachgewiesen werden.
- Von der Deichhummel oder Erdbauhummel liegen keine weiteren Nachweise vor. Bemerkenswert ist ein Nachweis der Distelhummel in der Nähe von Bremerhaven. Aus dem Nordwestdeutschen Flachland ist das der erste Nachweis seit Jahrzehnten.
Im Jahr 2015 wurden verstärkt bereits bekannte Populationen in den Sachwerpunktgebieten kontrolliert. Neue Fundorte seltener Arten, die im Rahmen des Projektes erfasst wurden, stammen vor allem aus Nordwest-Niedersachsen. Neben Rolf Witt waren 2015 noch mehr inzwischen ausgebildete ehrenamtlichen Projektmitarbeitern selbstständig unterwegs. Die Nachweise aus der Diepholzer Moorniederung wurden im BUND-Projekt „Wildbienennetzwerk Niedersachsen“ von Rolf Witt erfasst.
Wir hoffen, dass noch weitere bemerkenswerte Funde dazukommen. Aufgrund der Flächengröße werden sicherlich noch einige weiße Flecken auf der niedersächsischen Landkarte bestehen bleiben.
Eine detaillierte Zusammenstellung aller aktuell in Niedersachsen nachgewiesenen seltenen Hummelarten erscheint gerade in einem Fachartikel [Rolf Witt (2016): Vorkommen und Bestandssituation seltener Hummelarten (Bombus) in Niedersachsen (Hymenoptera: Apidae) – Ampulex 8: 24-39]. Dort wird auch eine Einschätzung der Bestandssituation und Gefährdung für Niedersachsen gegeben. Ebenso werden dort alle Akteure genannt, die mit ihren Daten zu dieser Zusammenstellung beigetragen haben.