ICE-Trassenneubau Bielefeld - Hannover
Naturschutzverbände tagten zur ICE-Strecke Bielefeld-Hannover
5. September 2024- Nachdem die Deutsche Bahn mit gehöriger Verspätung am 13. August ihre zwölf Trassenvorschläge öffentlich gemacht hatte, hat die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände in Ostwestfalen und Niedersachsen 27. August 2024 zu dem Thema beraten.
„Es fährt ein Zug nach nirgendwo“– so fasst Dietmar Meier vom NABU Hameln-Pyrmont die Erfahrung vieler Bürgerinnen und Bürger im tagtäglichen Bahnchaos von Zugausfällen, Verspätungen, fehlenden Anschlüssen auch in Ostwestfalen und Niedersachsen zusammen. Es ist nach Auffassung der Naturschutzverbände offensichtlicher denn je: „Wir brauchen sofortige Maßnahmen für eine Verkehrswende im ganzen Schienennetz mit einer zuverlässigen Versorgung im Nah- und Fernverkehr.“
Thomas Keitel vom Naturwissenschaftlichen Verein Bielefeld ergänzt: „Stattdessen plant die Bahn unbeeindruckt eine monströse, nicht finanzierbare Höchstgeschwindigkeitsstrecke in dicht besiedeltem Gebiet zulasten von Menschen, Natur und Klimaschutz. Dafür werden grundlegende Verbesserungen der Situation in ferner Zukunft nach Fertigstellung der Hauptstrecke in Aussicht gestellt.“
Da sie die von der DB gesetzte Vorgabe von 31 Minuten Fahrzeit für ICE zwischen Bielefeld und Hannover nicht erfüllen, fielen alle, von vielen Akteuren und Fachleuten aus der Region geforderten, bestandstraßennahen und kostengünstigeren Varianten aus der Bewertung.
Kostenintensiv, zeitintensiv und ein enormer Schaden für die Natur
Welch gewaltiger Eingriff in die Landschaft befürchtet werden muss, zeige der Vergleich, dass ein einziger 30 km Tunnel dem Volumenaushub von zwei Cheopspyramiden entsprechen würde (nach den Berechnungen im Gutachten der KRBE GmbH 2023 im Auftrag von Widuland). Unweigerlich würden viele geschützte Biotope zerstört. Im Bereich Bielefeld betrifft dies fast in allen 12 Varianten die Johannisbachaue. Porta und Bückeburg wären durch die als tunnelarm gepriesenen Varianten stark betroffen.
„Die ohne Dialog entstandenen Trassenpläne der DB finden in ihrer Zerstörungskraft an Umwelt und Natur keine Akzeptanz bei der Bevölkerung. Darin ist sich die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände einig", erklärt Karsten Otte, Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz in Ostwestfalen. „Mit den entstehenden Bauwerken wie Viadukten und Tunnel geht die Bahn eine Klimaschuld ein, die niemals eingefahren werden kann. Schon jetzt ist klar, dass eine Hochgeschwindigkeitstrasse Milliarden von Euro verschlingen wird. Nötige Entwicklungen der Verkehrswende in der Region werden damit ausgebremst.“
Aus Sicht der Verbände müssten die politischen Entscheidungsträger davon überzeugt werden, dass ein Deutschlandtakt mit niedrigeren Geschwindigkeiten in einem neuen Zielfahrplan auf der Bestandstrasse gefahren werden kann.
Es sei davon auszugehen, dass wie bei Stuttgart 21 und beim BER die Kosten aus dem Ruder laufen werden, sodass die Kosten-Nutzen-Relation ins Negative rutscht. „Um die Bahn-Kapazitäten zu erweitern, fehlt es nicht an Hochgeschwindigkeitsstraßenstrecken, sondern überhaupt an Gleisen, die leider in der Ära Mehdorn seit Jahrzehnten in der Fläche zurückgebaut wurden“, so Eva von Löbbecke vom Förderverein Bückeburger Niederung. „Der Ausbau der Bestandstrasse kann umgehend beginnen; nichts spricht dagegen, die bereits vor 20 Jahren beschlossenen und in mehreren Studien verfeinerten Pläne einer neuen Fernverkehrsstrecke entlang der bestehenden Trasse sofort anzugehen.“
Die Arbeitsgemeinschaft fordert daher den sofortigen Ausbau der Bestandstrasse und Investitionen in die Sanierung und den Ausbau der vorhandenen Infrastruktur. Karsten Otte betont: „Wir brauchen die Verkehrswende jetzt und nicht in 30 Jahren!“
Dialogprozess der ICE-Strecke Hannover-Bielefeld
Umweltschädliche Prestigeprojekte blockieren Bahnausbau
16. März 2023 -Nach dem Termin von Vertreter*innen der Region Ostwestfalen und Hannover am 7. März 2023 im Bundesverkehrsministerium steht fest: Keine der Forderungen nach einem naturverträglichen Schienenverkehrsausbau wird erfüllt. Die Forderungen waren im Plenum von den Naturschutzverbänden gemeinsam mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Landräten, Gemeinden, Landwirtschaftsverbänden und Bürgerinitiativen gestellt worden. Das dogmatische Festhalten von Staatssekretär Theurer an der Planungsvorgabe von 31 Minuten ICE-Fahrzeit zwischen Hannover und Bielefeld verhindert, dass die im Beteiligungsprozess zugeschlagene Türen sich wieder öffnen.
Die Planungsvorgabe des Ministeriums lässt der Deutsche Bahn keine Möglichkeit, den von den Naturschutzverbänden geforderten bestandstrassennahen Ausbau im weiteren Planungsprozess zu prüfen. Vielmehr wurde die Befürchtung bestätigt, dass Belange der Region und des Natur- und Klimaschutzes hinter der auf dem Reißbrett getroffenen Minutenvorgabe zurückstehen sollen. Durch die Vorgaben des Ministeriums zur 31-Minuten-Fahrzeit werden wichtige Mittelzentren, deren Wirtschaft und ihre Bewohner*innen von attraktiven Bahnverbindungen abgehängt.
Die Vertreter*innen der Naturschutzverbände aus NRW und Niedersachsen haben sich seit Start des Planungsdialogs vor zwei Jahren mit hohem Engagement und Fachexpertise an den Diskussionen zu fachlichen Fragen, wie der Bewertung der Raumwiderstände und der Erarbeitung einer Methodik für den Variantenvergleich, beteiligt und sich zugleich für einen transparenten, ergebnisoffenen Dialog auf Augenhöhe stark gemacht. Daran hat das Ministerium offenkundig kein Interesse.
Eine Schwächung der Bahn
Anders als offiziell verkündet, ist Ergebnis dieser Politik nicht die Stärkung sondern die Schwächung der Bahn: Der Bahnbeauftragte Theurer erklärt in einem ZDF-Bericht ebenso beiläufig wie unmissverständlich, dass sich die Umsetzung des Deutschlandtaktes noch 50 Jahre hinziehen, gleichzeitig der Autobahnbau beschleunigt werden soll. Für die Bahn bleiben einzelne umweltschädliche Prestigeprojekte, die dem Gesamtsystem nicht nützen und das Gebot der Verkehrswende zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels konterkarieren.
Auch die Bahn sollte den Pseudo-Dialog verlassen
So bekommt die Bahn kein robustes Netz und wird nicht zukunftsfähig. Der Deutschlandtakt wird zum Fake. Die Naturschutzverbände werden dafür keine Zeit mehr verschwenden und steigen aus dem Planungsdialog, der nie ein Dialog war, aus. Wir möchten auch die DB einladen, die für die Eisenbahn schädliche Planung zu beenden und mit uns im eigenen Interesse für eine klimafreundliche Bahn zu kämpfen.
Wir setzen uns weiter für den natur- und klimaverträglichen Ausbau des Bahnnetzes ein. Wir fordern die Politik auf, den Deutschlandtakt im Sinne des Klimaschutzes und der Mobilitätswende neu zu denken. Im Verkehrssektor bedarf es eines sofortigen Kurswechsels: Anstelle der forcierten Projekte für den Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen müssen jetzt hier in Ostwestfalen und Südniedersachsen kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs und zur Verlagerung von Verkehren auf die Schiene und den ÖPNV erfolgen.
Dialogprozess der ICE-Strecke Hannover-Bielefeld
Naturschutzverbände verlassen unter Protest Dialogplenum
1. Februar 2023- Durch die Vorfestlegung auf eine neu zu bauende „31-Minuten-Trasse“ hätten Verkehrsministerium und Bahn einen enormen Vertrauensschaden erzeugt und sich als Verhandlungspartner diskreditiert, begründete der NABU seine Entscheidung. Mit der Vorfestlegung einer Fahrzeit von 31 Minuten durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) wird eine Vorentscheidung für eine ICE-Schnellbahntrasse getroffen, auf der Züge mit 300 h/km verkehren können. Ein naturschonender und klimafreundlicher Ausbau der Bestandstrecke sei damit faktisch vom Tisch, so die Naturschutzverbände aus OWL und Südniedersachsen. Die Verbände sind schockiert über diese Entscheidung und haben deshalb am Dienstag das „Dialogplenum“ der Bahn unter Protest verlassen. Diesen Schritt haben auch die Vertreter*innen der Bürgerinitiativen, der Landwirtschaft, mehrere Landräte, Bürgermeister und mehrere Bundestagsabgeordnete gemacht.
Absolut nicht nachvollziehbar ist aus Sicht der Naturschutzverbände, dass diese Vorentscheidung schon zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem mit dem Vergleich der verschiedenen Trassenvarianten überhaupt erst begonnen wird. Denn im Plenum werden derzeit noch die Bewertungskriterien für den Variantenvergleich erörtert. Anstatt den Dialog offen fortzuführen und möglichst mit einem Konsens abzuschließen, erfolgt jetzt eine Vorfestlegung auf eine Neubaustrecke, die quer durch die freie Landschaft verläuft.
Enormer Schaden für die Umwelt zu erwarten
Dies hätte eine Durchtunnelung des Wesergebirges oder eine Zerschneidung des Naturschutzgebietes Bückeburger Niederung zur Folge. Eine solche Neubaustrecke würde in unserer Region Schutzgebiete durchschneiden und überbauen, viele Hektar wertvoller Böden versiegeln. Sie wäre mit erheblichen Schäden für die Land- und Wasserwirtschaft verbunden, zudem extrem teuer und erst nach 2040 zu verwirklichen. Weiterhin könnten auch mit einer solchen Neubaustrecke die Vorgaben des Taktfahrplans des Bundesverkehrsministeriums nur dann erreicht werden, wenn auch die Bahnstrecke Bielefeld – Hamm für 300 km/h vollständig auf und neben der Bestandstrasse neu gebaut würde.
Die erfolgte Vorfestlegung düpiert aus Sicht der Verbände die Beteiligten im Plenum, die sich seit über einem Jahr überwiegend ehrenamtlich in diesen Dialogprozess einbringen. Das Vorgehen habe aber offenbar Methode, sei vergleichbar mit dem von der Bahn einseitig aufgekündigten „Alpha-E-Kompromiss“ für den Ausbau der Bahnstrecke Hannover-Hamburg. Hier ist mit einem Federstrich jahrelange Verhandlungsarbeit zunichte gemacht worden.
Verbände kritisieren Pseudo-Beteiligungsverfahren
Die Naturschutzverbände sehen keinen Sinn in einem Pseudo-Beteiligungsverfahren, dessen Ergebnis in keiner Weise offen ist. Durch die Vorfestlegung auf eine neu zu bauende „31-Minuten-Trasse“ hätten Verkehrsministerium und Bahn einen enormen Vertrauensschaden bei den Beteiligten des Plenums erzeugt und sich als Verhandlungspartner diskreditiert. Die Naturschutzverbände wollen sich weiter für einen klimafreundlichen und naturschonenden Bahnausbau und leistungsfähige Bahnnetze einsetzen. In diesem Sinne sind sie weiterhin an einem offenen und ehrlichen Dialog interessiert und bieten der Bahn dazu Gespräche an.
ICE-Trassenneubau Bielefeld
Hannover Länderübergreifende Verbände-Kritik
4. November 2022- Der NABU Niedersachsen und weitere Naturschutzverbände kritisieren die vorliegende Planung für den ICE-Trassenneubau von Bielefeld nach Hannover angesichts des bereits deutlich spürbaren Klimawandels als nicht mehr zeitgemäß. Die ICE Strecke von Köln über Bielefeld, Minden, Hannover nach Berlin ist eine der wichtigsten Strecken im deutschen Schienennetz. Um 18 Minuten an Fahrtzeit einzusparen, wird aktuell ein Neubau der Trasse zwischen Seelze und Bielefeld geplant, der Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h ermöglichen soll. Der Bau und Betrieb einer solchen Schnellfahrstrecke ist mit erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Zudem sorgt der Trassenneubau mit einer Vielzahl von Betonbauwerken wie Brücken und Tunneln für einen erheblichen CO2-Ausstoß, was bei nordrhein-westfälischen und niedersächsischen Naturschutzverbänden zu großen Zweifeln an der Klimaneutralität der ganzen Maßnahme führt.
Grundsätzlich unterstützen die Naturschutzverbände die Verbesserung des Schienenverkehrs und auch den Ausbau dieser wichtigen Fernverbindung. Anlässlich ihrer morgigen Tagung zum Trassenneubau in Minden kritisieren die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände Ostwestfalens gemeinsam mit den nordrhein-westfälischen und niedersächsischen Landesverbänden von BUND und NABU sowie dem Naturschutzverband Niedersachsen (NVN) und der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt Nordrhein-Westfalen (LNU) die vorliegende Planung angesichts des bereits deutlich spürbaren Klimawandels allerdings als nicht mehr zeitgemäß.
Planung behindert die notwendige Mobilitätswende
Insgesamt gilt es auf der Fachtagung am 5.11. in Minden zu klären, inwieweit der CO2-Ausstoß bei Bau und Betrieb einer Neubaustrecke bei den bisherigen Planungen ausreichend berücksichtigt wurde, oder ob dies entgegen dem Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz und dem Klimaschutzgesetz bisher vernachlässigt wurde. Sollte Letzteres der Fall sein, würde eine solche Trasse die zum Erreichen der Klimaziele dringend notwendige Mobilitätswende eher behindern anstatt sie zu fördern, so die Naturschutzverbände in ihrer Erklärung. Zudem würden die notwendigen Milliarden-Investitionen dann an anderer Stelle beim dringenden Ausbau des Bahnnetzes fehlen.
Deutschland hat sich verpflichtet, bis zum Jahre 2030 seine Treibhausgasemissionen im Verhältnis zum Referenzjahr 1990 um 55% zu senken. Eine große Bedeutung kommt dabei dem Verkehr zu. Hier hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2030 um 48% zu senken. Bislang sind die Treibhausgasemissionen im Verkehr allerdings nicht gesunken und die Klimaschutzziele wurden krachend verfehlt. Um die Klimaziele noch erreichen zu können, muss daher auch der Verkehrsträger Bahn die Klimawirkung seiner Planungen berücksichtigen und de facto maximal möglich minimieren.
Die Naturschutzverbände fordern deshalb die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium auf, mit einem veränderten Planungsauftrag einen natur- und klimaverträglichen Ausbau der Bahnstrecke von Bielefeld nach Hannover zu ermöglichen.