Greifvogelmordserie aus Cloppenburg aufgeklärt
Ein besonders schwerer Fall von Umweltkriminalität
21. Juni 2019 - Im April vergangenen Jahres wurde ein noch nicht dagewesener Fall von Umweltkriminalität im Landkreis Cloppenburg nachgewiesen, eine in der Dimension auch national bedeutende Straftat. Neun vergiftete, tote Greifvögel konnten in einem kleinen Areal der Gemeinde Cappeln und unmittelbar im Grenzraum zum Landkreis Vechta entdeckt und sichergestellt werden. Sehr unterschiedliche Verwesungszustände zeigten an, dass es sich um eine vermutlich sogar langjährige Serientat im direkten Umfeld von Jagdeinrichtungen handelt.
Der Täter konnte nun ermittelt werden. Es handelt sich um einen 71-Jähriger Jäger. Er wurde zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen mit insgesamt 5.400 Euro verurteilt. Der NABU fordert, dass ihm unverzüglich und unbefristet Jagdschein und Waffenbesitzkarte entzogen wird. Seit dem Jahr 2005 wurden in Niedersachsen 88 Fälle illegaler Greifvogelverfolgung nachgewiesen, 25 davon waren Giftfälle. Das Besondere: Dies ist deutschlandweit erst der zweite Fall in diesem Bereich, bei dem ein Giftleger überführt und auch rechtskräftig verurteilt wird.
Das Bundesland Niedersachsen liegt bei der Anzahl der Fälle von Greifvogelverfolgung nach Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern auf Platz 4 der Bundesländer. Bereits dieses Jahr gab es in Niedersachsen drei Fälle zu verzeichnen: einen vergifteten Rotmilan in Peine (Mai), eine Leiterfalle für Habichte in Diepenau (Mai) sowie ein vergifteter Wanderfalke im Harz (Juni). Bei einem aktuell an Vergiftung verstorbenen Rotmilan bei Rinteln wird noch untersucht, ob es sich um eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Tat gehandelt hat. „Es wird Zeit, dass solche Delikte stärker geahndet werden. Wir hoffen, dass diese Verurteilung nun eine Signalwirkung hat“, sagt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, „In den vergangenen fünf Jahren wurden in unserem Bundesland 46 Fälle illegaler Greifvogelverfolgung nachgewiesen, zehn davon waren Giftfälle.“
Zurück zum Fall aus Cloppenburg. Im April 2018 wurde Ludger Frye, NABU Kreisgruppe Vechta, über den Fund von farbigen Ködertieren und eines toten Greifvogels informiert. Gemeinsam mit der Kriminalpolizei durchsuchte er den über fünf Hektar großen Fundbereich. Dort lagen in Fundgruppen Dutzende mit Gift bestrichene Ringeltauben sowie Hühnereier mit Injektionslöchern auffällig und exponiert auf Baumstümpfen. Aber auch Haustauben-, Fasanen-, Enten- und Hasen-Kadaver lagen ebenso blau eingefärbt aus. Die Durchsuchung ergab eine erschreckende Opferzahl toter Greifvögel, die teils unmittelbar neben den Ködern lagen. Insgesamt fanden Kripo und NABU gemeinsam neun tote Greifvögel, darunter sieben Mäusebussarde, zwei Habichte sowie einzelne Rabenvögel. Köder, Eier und Opfer wurden aus Gründen der Gefahrenabwehr für Menschen und Fauna und zur Nachuntersuchung möglichst vollständig eingesammelt. „Mein Dank geht an die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft. Die Zusammenarbeit verlief sehr gut“, meint Frye.
Der NABU zeigt sich erfreut über die Verurteilung des Giftlegers. „Die Frage bleibt offen, in wieweit es Mittäter oder Mitwisser dieser Tat gegeben hat“, meint Frye. „Denn jemand, der im Revier unterwegs ist, konnte diese Tat kaum übersehen haben.“
Neun vergiftete Greifvögel entdeckt
18. April 2018 - „Mich erreichten einzelne Fotos und die Info, in einem abgelegenen Waldstück in der Nähe von neu installierten Hochsitzen seien auffällig türkisbläulich eingefärbte Ringeltauben und Eier als Köder ausgebracht. Zudem läge dort ein toter Bussard“, berichtet sichtlich entsetzt Ludger Frye, NABU-Kreisvorsitzender im Landkreis Vechta. „Da schrillten bei mir sofort die Alarmglocken!“ Die sofortige Rückfrage beim Entdecker ergab, dass die Ködertiere und Gifteier ganz offensichtlich zu Jagdzwecken völlig ungeschützt im Wald lägen.
„Diese Einfärbung der Ködertiere ist typisch für die Verwendung von europaweit verbotenen, extrem starken Kontaktgiften wie Carbofuran oder Mevinphos“, sagte Ludger Frye, der sich bereits mehrfach mit illegaler Greifvogelverfolgung in den Kreisen Vechta und Diepholz befassen musste. „Diese sind auch für Menschen bei Kontakt lebensbedrohend. Der Hinweisgeber hatte den Greifvogel nichts ahnend und unachtsam berührt. “ Diese Nachstellungsmethode ist deshalb seit Jahrzehnten streng verboten und strafrechtlich zu ahnden.
Naturschützer Frye wusste, was zu tun war und verständigte sofort die Kriminalpolizei, um den dringenden Verdacht einer schweren Umweltstraftat und eine anhaltende Gefahrensituation zu melden. Umgehend vereinbarte man eine gemeinsame Durchsuchung des Areals, in dem man die Vögel gefunden hat. Es befindet sich in der Gemeinde Cappeln, die zwischen den Orten Schwichteler und Vestrup, ganz in der Nähe der Landkreisgrenze Cloppenburg und Vechta liegt. Eigentlich erfreuen sich in diesem als Tenstedter Bruchwald bekannten Nasswald Naturfreunde an seltenen Hohen Schlüsselblumen und Königsfarn.
Es bestand auch eine hohe Vergiftungsgefahr für Menschen
Doch an diesem Tag bestand kein Anlass zur Freude, denn bei der Durchsuchung, die über fünf Stunden dauerte, offenbarte sich das unglaubliche Ausmaß des Grauens: In verschiedenen Bereichen des über fünf Hektar großen Fundbereiches lagen in Fundgruppen Dutzende mit Gift bestrichene Ringeltauben sowie Hühnereier mit Injektionslöchern auffällig und exponiert auf Baumstümpfen. Aber auch Haustauben-, Fasanen-, Enten- und Hasen-Kadaver lagen - ebenfalls blau eingefärbt - aus. Die Durchsuchung ergab eine erschreckende Opferzahl toter Greifvögel, die teils unmittelbar neben den Ködern lagen.
Insgesamt fanden Kripo und NABU gemeinsam neun tote Greifvögel, darunter sieben Mäusebussarde, zwei Habichte sowie einzelne Rabenvögel. Köder, Eier und Opfer wurden dokumentiert und eingesammelt, um sie behördlich untersuchen zu lassen. „Und um weitere Vergiftungsgefahren von Mensch und Tier auszuschließen“, betonte der Naturschützer. „Die abgelegene Fundsituation und die offensichtliche Erkennbarkeit, deuten klar auf die Verursacher hin.“ Frye ist sich sicher: Keiner der örtlichen Jäger kann das Ausmaß der toten Vögel übersehen haben. Unterschiedlich alte Köder und Opfer deuten auch auf einen langen Zeitraum des Auslegens hin. „Nichts, was hier einmalig geschieht“, sagt Frye. Deshalb fordert der NABU sofort die einstweilige Einziehung der Jagdscheine von allen im Revier tätigen Jägern, bis der gesamte Straftatbestand und die persönlichen Verantwortlichkeiten aufgeklärt sind! Der NABU fordert außerdem die Einrichtung einer Stabsstelle Umweltkriminalität.
Hintergrund:
Am 27. März 2007 unterzeichneten das Niedersächsische Umweltministerium, das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium, der BUND Niedersachsen, die Landesjägerschaft Niedersachsen, die Niedersächsische Ornithologische Vereinigung, die Arbeitsgemeinschaft Adlerschutz Niedersachsen sowie der NABU Niedersachsen die "Hannoversche Erklärung gegen illegale Verfolgung von Greifvögeln in Niedersachsen". Neben der Schutzwürdigkeit der Greifvögel wurde dort auch auf die Konsequenzen bei Nichtbeachtung hingewiesen. Wörtlich heißt es „Die Verfolgung ohne staatliche Ausnahmegenehmigung zum Beispiel mit Gift, Fallen und Waffen ist nach dem Jagdrecht und dem Naturschutzrecht eine Straftat, die mit empfindlichen Strafen bis hin zum Freiheitsentzug von fünf Jahren geahndet werden kann.“