NABU kritisiert lapidaren Umgang mit illegaler Greifvogelverfolgung
Ein Abgesang zum 10. Jahrestag der ‚Hannoverschen Erklärung‘
27. März 2017 - Am 27. März 2007 – also vor zehn Jahren – ereignete sich Denkwürdiges. Das niedersächsische Umweltministerium, das niedersächsische Landwirtschaftsministerium, der BUND Niedersachsen, die Landesjägerschaft Niedersachsen, die Niedersächsische Ornithologische Vereinigung, die Arbeitsgemeinschaft Adlerschutz Niedersachsen sowie der NABU Niedersachsen unterzeichneten die ‚Hannoversche Erklärung gegen illegale Verfolgung von Greifvögeln in Niedersachsen‘. Doch was als Meilenstein zum Schutz der Könige der Lüfte gefeiert wurde, entwickelte sich schnell zum Papiertiger.
Neben der Schutzwürdigkeit der Greifvögel wurde in der ‚Hannoverschen Erklärung‘ auch auf die Konsequenzen bei Nichtbeachtung hingewiesen. Wörtlich heißt es: „Die Verfolgung ohne staatliche Ausnahmegenehmigung zum Beispiel mit Gift, Fallen und Waffen ist nach dem Jagdrecht und dem Naturschutzrecht eine Straftat, die mit empfindlichen Strafen bis hin zum Freiheitsentzug von fünf Jahren geahndet werden kann.“ Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen erläutert: „Grundsätzlich ist der Staat verpflichtet, bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Straftat eine toxikologische Untersuchung in Auftrag zu geben. Dafür kann die Polizei zuständig sein. Da die Beamten aber mit dem Thema in der Regel nicht vertraut sind, kann sie diese Entscheidung den lokalen Ordnungsbehörden (UNB, UJB, VetAmt) überlassen.“ Prinzipiell eine gute Idee, doch in Niedersachsen führt das dazu, dass weder die Polizei noch die Ordnungsbehörden eine Untersuchung beauftragen.
Das Komitee gegen Vogelmord und der NABU Niedersachsen unterstreichen anlässlich des 10. Jahrestages ihre langjährige Forderung nach einer Stabsstelle Umweltkriminalität nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen. Zwingend ist zudem eine Handlungsanweisung für die Kommunen in Form eines Runderlasses wie in anderen Bundesländern mit der Anweisung zur toxikologischen Untersuchung von Greifvögeln bei begründetem Verdacht.
Mehrere Funde toter Greifvögel in den letzten Monaten werfen Fragen auf
Drei Fälle illegaler Greifvogelverfolgung, denen nicht nachgegangen wurde, sind beispielgebend für andere Fälle:
Fall 1: Langenmoor - In Langenmoor bei Cuxhaven wurde am 16.11.2016 ein Mäusebussard tot aufgefunden. Er lag mit ausgebreiteten Schwingen auf einem Heuballen und hatte Fleischreste erbrochen. Die Fundumstände deuteten auf eine Vergiftung hin. Der Vogel wurde am 17.11.2016 dem Veterinäramt überstellt. Auf Nachfrage wurde dem Finder des Vogels Ende Februar 2017 mitgeteilt, im Zuge der Vogelgrippe hätten die Labore einen Annahmestopp verhängt, deswegen wurde der Vogel nicht zur Analyse eingeschickt.
Fall 2: Leveste - Bei Leveste (Region Hannover) wurden am 24.02.2017 in einem Gebiet, in dem im Frühjahr 2015 insgesamt sechs tote Greifvögel an einem Fleischköder gefunden worden waren, erneut zwei tote Mäusebussarde entdeckt. Einer war gerade verstorben, der andere stark verwest. Die Fundhäufung ist ein Hinweis auf eine mögliche Vergiftung. Die Polizei hat den Vogel sichergestellt und zur Analyse an das Veterinäramt abgegeben. Nach telefonischer Nachfrage wurde erklärt, dass der Vogel nur auf Vogelgrippe untersucht werden würde. Eine toxikologische Untersuchung sei nicht nötig und würde auch nicht bezahlt werden. Am darauffolgende Montag wurde seitens der Leitung des Veterinäramtes bestätigt, dass keine Veranlassung gesehen werde, eine toxikologische Untersuchung in Auftrag zu geben. Auch für die sechs toten Greifvögel, die 2015 aufgefunden worden waren, wurde trotz mehrfacher Nachfrage durch den NABU Barsinghausen nie ein Analyseergebnis mitgeteilt. Vermutlich wurden auch diese Tiere nicht untersucht.
Fall 3: Elbtalaue – Dort hat ein Regionalbetreuer der Arbeitsgemeinschaft Adlerschutz Niedersachsen (AAN), am 20.02.2017 einen bereits toten Seeadler eingesammelt, der schon drei Wochen vorher ein sehr auffälliges Verhalten zeigte. Er verdrehte den Hals und schien nach oben zu schauen. Wahrscheinlich ist, dass er an einer Bleivergiftung verstorben ist, was über eine Blutuntersuchung nachweisbar wäre. Der Seeadler wurde vom Veterinäramt des Landkreises Lüneburg untersucht, welches aber dafür sorgen wollte, dass das Tier vor allem auf Vogelgrippe untersucht werde. Auf Drängen des Regionalbetreuers sollte das Tier nach dieser Untersuchung nach Berlin in das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IWZ) zu weiteren Untersuchungen geschickt werden. Dies lehnte das Veterinäramt ab, mit der Begründung, dass es die entsprechenden Untersuchungen selbst in die Wege leiten könne. Das erste Untersuchungsergebnis bescheinigte, das der Adler keine Vogelgrippe hatte und auch kein Bleischrot gefunden wurde. Doch diese Untersuchung war nicht zielführend, da Bleivergiftungen über das Blut nachgewiesen werden. Da die Untersuchungen, die beim IWZ zum Standard gehören, nicht durchgeführt wurden, drängte der Regionalbetreuer das Veterinäramt erneut, weitere Untersuchungen zu veranlassen. Ergebnisse liegen bislang noch nicht vor.
Das IWZ hat aus Niedersachsen bereits 30 Seeadler auf ihre Todesursache untersucht. Zwei von ihnen wurden mit Carbofuran, einem Insektizid, vergiftet. Bei weiteren neun besteht der Verdacht auf Vergiftungen, ohne dass jedoch das Gift benannt werden konnte. Diese Vögel wiesen aber deutliche Anzeichen von Vergiftungen auf, d.h., es sind keine Vergiftungsnachweise, aber Vermutungen. Bei vier weiteren Adlern konnte eindeutig eine Bleivergiftung als Todesursache nachgewiesen werden.
Forderungen des NABU:
Alexander Heyd, Geschäftsführer des Komitees gegen den Vogelmord e.V., erklärt: „Andere Bundesländer gehen mit einem positiven Beispiel voran und machen vor, wie effektiver Greifvogelschutz aussehen kann. In Nordrhein-Westfalen gab es seitens des Umweltministers einen Runderlass, der die Chemischen Veterinär- und Untersuchungsämter (CVUA) anweist, Wildvögel mit Vergiftungsverdacht auf Staatskosten zu analysieren. Die Ergebnisse erhalten automatisch der Finder und das Umweltministerium.“
Die gleiche Regelung gibt es bereits in Baden-Württemberg. In Bayern gibt die Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen solche Vögel automatisch zur Analyse an die Universität München. Vergiftungsverdacht besteht bei Fundhäufung (also mehr als ein toter Vogel an einer Stelle oder ein toter Vogel an einer Stelle, wo bereits früher vermehrt tote Greife gefunden wurden) und/oder bei dem Vorhandensein eines wie auch immer gearteten möglichen Köders (Schlachtabfall, Hühnerei, Taube, Hase, Kaninchen etc.). Auch der Fundort kann Rückschlüsse zulassen.
Der NABU Niedersachsen fordert daher mit Nachdruck:
1. kurzfristig: einen Runderlass wie in anderen Bundesländern mit der Anweisung zur toxikologischen Untersuchung von Greifvögeln bei begründetem Verdacht.
2. kurzfristig: einen Ansprechpartner im Ministerium, der im Zweifel Schützenhilfe gegenüber unwilligen Veterinärämtern geben kann.
3. mittelfristig: eine Stabsstelle Umweltkriminalität nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen.