Geplanter Schienenausbau Norddeutschland
NABU kritisiert Bahn-„Dialog“
20. Januar 2022- Die Bahn hält an dem schon zu Beginn der Planung von ihr gesetzten Standard einer Hochgeschwindigkeitstrasse fest. Dies macht eine komplette Neubaustrecke zwingend nötig, die den Mischverkehr mit langsameren Güterzügen vermeidet.
„Der NABU unterstützt grundsätzlich die Verbesserung des Schienenverkehrs und auch den Ausbau, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden“, stellt dazu Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, fest. „Wir weisen aber darauf hin, dass ein Neubau fernab der bestehenden Trasse mit dem Natur- und Landschaftsschutz unvereinbar ist. Der NABU sieht im Falle eines trassenfernen Neubaus einen erheblich erhöhten Ressourcenverbrauch und CO₂-Ausstoß, sodass der Klimaschutz konterkariert würde.“
Als hätte es den Dialogprozess nie gegeben
Der Umweltverband kritisiert, dass aus dem Bundesverkehrsministerium, der Politik und von anderen Akteuren durch viele neue Forderungen der ursprüngliche Planungsauftrag so verändert wurde, dass die Deutsche Bahn nunmehr in ihren möglichen Szenarien vor weiterer Zerschneidung des norddeutschen Naturraumes nicht mehr zurückzuschrecken scheint. Denn zu Beginn der Planung stand das 2015 mit breiter Mehrheit verabschiedete Ergebnis von Celle des trassennahen Ausbaus. Als hätte es den vorangegangenen Dialogprozess nie gegeben, werden nun neue Grobkorridore zur Trassenfindung präsentiert, die längst ad acta gelegt waren und an den Raumwiderständen scheitern müssten.
„Das Bündelungsgebot für Verkehrswege nach Bundesnaturschutzgesetz wird jedoch von der Deutschen Bahn so interpretiert, dass ein Neubau auch entlang der A7 geführt werden könne. Wer entlang der Autobahn A7 bauen will, kann das aber nur bis auf Höhe von Bad Fallingbostel tun. Ab da muss ein Korridor gefunden werden, der entweder einen Bogen mit Streckenverlängerung auf Hannover zu beschreibt, oder er folgt der vor Jahren verworfenen alten Y-Planung, die an den Raumwiderständen bereits gescheitert ist“, führt Dr. Buschmann aus.
Es entstehe der Eindruck, dass die Deutsche Bahn und das bundesdeutsche Verkehrsministerium ihre Wunschtrasse ohne tatsächliche Achtung naturschutzfachlicher Belange und den Anforderungen der Bevölkerung bereits festgelegt haben und die Dialogprozesse nur als Feigenblatt dienen. Sollte dies der Fall sein, sind die Konflikte vorprogrammiert und wäre das Vertrauen in solche Dialogprozesse des Bundes nachhaltig gestört. „Mit Pseudobeteiligungsprozessen erreicht man keine Planbeschleunigung, sondern eine verringerte Akzeptanz und in der Regel ein Planverlangsamung“, warnt Dr. Buschmann die Deutsche Bahn und das Verkehrsministerium. Er appelliert an die Akteure, sich auf das Ergebnis des Dialogprozesses zu besinnen und in diesem Rahmen die weitere Planung fortzusetzen.
Bei der weiteren Planung müsse man sich von den beiden Vorgaben „Fahrzeit“ und „300 km/h Höchstgeschwindigkeit“ verabschieden. Der Ausbau für maximal 230 km/h muss unter bestmöglicher Ausnutzung der vorhandenen Schienenstränge, Abstimmung des Deutschlandtaktes auf die dann erreichbare Fahrzeit zwischen den Knoten Hamburg, Hannover und Bremen erfolgen.
Hintergrund
Seit 2015 ist eine mögliche Lösung des Schienenausbaus im Dreieck Bremen – Hamburg – Hannover auf dem Tisch. Das Dialogforum in Celle hatte unter Mitarbeit der Deutschen Bahn (DB) und anderer Akteure im Verkehrswesen einen Vorschlag unterbreitet, den der NABU, aber auch die betroffene Region durch die Vertretung vieler Bürgerinitiativen mitgetragen haben. Seitdem hatte die DB zu einer Vielzahl von „Dialogveranstaltungen“ eingeladen, die aber alles andere als ein Dialog auf Augenhöhe waren. Eine gemeinsam erstellte und vereinbarte Gesprächsgrundlage zwischen der DB und der Region fehlt. Aktuell hat der Chefplaner zudem nur „Regionaltreffen“ angekündigt, bei denen ausschließlich kommunale und Behördenvertreter eingeladen werden sollen. Der NABU bleibt außen vor.
Ein Gutachten zeigt, dass auch in einem anderen Rhythmus und leicht differenzierten Knotenpunkten der Deutschlandtakt im Bahnverkehr als zum innerdeutschen Flugverkehr konkurrierendes Verkehrsmittel trassennah realisiert werden kann. Der Deutschlandtakt sei auch mit längeren Fahrzeiten von ca. 40 Minuten erreichbar und Energie verschlingende Zuggeschwindigkeiten von 300 km/h seien nicht nötig, die im Übrigen konträr zu den notwendigen Klimazielen ständen. Damit könne auch bei einem Ausbau der Bestandsstrecke und einer verminderten Taktgeschwindigkeit die weitere Zerschneidung der Natur- und Kulturlandschaft mit allen daraus resultierenden Folgeerscheinungen verhindert werden. Einige der betroffenen Regionen in Niedersachsen wie der Landkreis Celle und auch aus dem Harburger Raum haben sich schon in beeindruckender Einigkeit und Deutlichkeit für eine Trassenführung entlang der Bestandsstrecke ausgesprochen.