Der Höhepunkt des Streuobst-Jahres: Die Apfelernte - Foto: NABU Cuxhaven
Das Streuobstwiesen-Projekt Lüdingworth
Hochzeitswald, Vogelwohnheim und Apfelsortenvielfalt
Im Interview blickt Dr. Hans-Joachim Ropers, Vorsitzender der NABU-Gruppe Cuxhaven und Stellvertretender NABU-Landesvorsitzender, auf das Projekt zurück und gibt Tipps, was NABU-Aktive beachten sollten, die eine Streuobstwiese anlegen wollen.
Im Jahr 1988 hatte der NABU mit dem Wendehals einen Charaktervogel der Streuobstwiesen zum Vogel des Jahres gemacht, um auf die Bedeutung dieser wichtigen Kulturlandschaft aufmerksam zu machen. Das war auch Anlass für eure Gruppe, das Streuobstprojekt zu gründen. Hat sich der Wendehals inzwischen auf eurer Streuobstwiese angesiedelt?
Nein, leider nicht. Aber an eine konkrete Ansiedlung war ohnehin nicht gedacht, da fast der gesamte niedersächsische Bestand dieser seltenen Spechtart auf den Raum Südostniedersachsen konzentriert ist. Im vergangenen Jahr hatten wir allerdings den ersten Brutnachweis der Art in der Cuxhavener Küstenheide, sodass es nicht völlig ausgeschlossen ist, dass der Wendehals eines Tages auch die Streuobstwiese in Lüdingworth für sich entdeckt.
Ihr habt auf eurer Streuobstwiese Dutzende Nistkästen und auch Bruthöhlen für den Steinkauz aufgehängt. So konntet ihr bestimmt viele andere Vogelarten sichten?
Im vergangenen Jahr haben wir auf der Wiese eine Gesamtvogelbestandsaufnahme gemacht und konnten viele und auch seltene Arten nachweisen, wie beispielsweise das Blaukehlchen. Unsere Wiese liegt in einer Marschenlandschaft, die Gräben beiderseits der Streuobstwiese sind mit Schilf bewachsen und deshalb gibt es bei uns Schilfbrüter wie Teichrohrsänger, Schilfrohrsänger, Blaukehlchen, Rohrammer. Der Steinkauz ist zwar noch nicht eingezogen, er wurde aber in wenigen Kilometern Entfernung gesichtet. Wir konnten aber andere Eulenarten nachweisen: Bei uns brütete die Waldohreule und als Gast wurde auch die Sumpfohreule gesichtet.
Große Vielfalt herrscht auch bei den Apfelbäumen, die auf eurer Wiese stehen. Über 50 Apfelsorten wachsen dort, richtig?
Ja, das stimmt. Da reicht von eher gängigen Sorten wie dem Holsteiner Cox oder dem Boskop bis zu seltenen Sorten wie Jakob Lebel, Goldparmäne oder dem Zitronenapfel. Da sind auch viele regionale alten Sorten dabei wie Horneburger Pfannkuchen, Altländer Prinz, die optimal an die Standortbedingungen und das Klima angepasst sind. Viele dieser Bäume wurden gespendet. Da wir das Projekt zusammen mit der Kirchengemeinde gemacht haben, gab es in den ersten Jahren viele Hochzeitspaare, die, in Frack und Brautkleid, auf der Streuobstwiese zu ihrer Trauung einen Baum gepflanzt haben – eine Art Hochzeitswald. Auch zu runden Geburtstagen oder zur Geburt eines Kindes konnte man einen Baum spenden – von meinen drei Söhnen stehen übrigens auch Bäume auf der Wiese. Inzwischen pflanzen wir aber aus Platzgründen keine weiteren Bäume mehr. Wir machen jetzt im Wesentlichen Bestandspflege.
Hast du eine Lieblingsapfelsorte?
Mein Lieblingsapfel ist der Zitronenapfel. Der schmeckt ein bisschen zitronig, sieht von außen auch zitronengelb aus, ist ein schön saftiger, aromatischer Apfel. Ich mag auch den Holsteiner Cox, der stammt von dem Baum, den wir für eines unserer Kinder gepflanzt haben.
Und die Äpfel eurer Streuobstwiese werden zu Saft verarbeitet?
Ja, seit 2007 verarbeiten wir sie zu Apfelsaft, der im NABU-Umweltzentrum Cuxhaven erhältlich ist; der Verkaufserlös kommt der Naturschutzarbeit des NABU zugute. Im vergangenen Jahr hatten wir zum ersten Mal mehr Äpfel als wir zu Saft verarbeiten konnten, die haben wir dann als natürliches Futter für die Vögel an den Bäumen belassen.
Zum zweiten Mal findet am 29. April der „Tag der Streuobstwiese“ statt. Unter dem Motto #streuobstueberall wird in Deutschland und in vielen weiteren Staaten gefeiert. Mit vielfältigen Aktionen soll die Bedeutung von Streuobstwiesen hervorgehoben werden. Mehr →
Wie viele Leute arbeiten in eurem Streuobstwiesen-Projekt mit, wie viel Arbeit steckt dahinter?
Die Streuobstgruppe trifft sich alle vierzehn Tage und ist dann für zwei Stunden gut beschäftigt. Das zeigt schon, dass nicht nur die Obstbäume im Fokus stehen: Wir haben Sträucher und Kopfweiden gepflanzt, Benjeshecken und Komposthaufen für die Ringelnattern angelegt. Und die Wiese muss auch gepflegt werden. Wir arbeiten mit einem Hobbyschafzüchter zusammen, der zur Grünlandpflege seine weißen, gehörnten Heidschnucken auf der Wiese weiden lässt, das ist eine vom Aussterben bedrohte Haustierrasse und passt insofern auch gut in das Projekt. Der Höhepunkt ist natürlich Anfang Oktober die Apfelernte; da sind dann rund dreißig Menschen dabei. Es ist also immer was zu tun. Wer dabei mitmachen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.
Was würdest du einer NABU-Gruppe raten, die überlegt, eine Streuobstwiese anzulegen? Würdest du so ein Projekt generell empfehlen?
Ja, auf jeden Fall. Aber man muss sich darüber klar sein: Es ist ein Projekt, das langfristig angelegt ist. Es muss gesichert sein, dass sich eine Gruppe von Leuten regelmäßig kümmert. Wichtig ist zudem, sich vorher darüber zu informieren, welche Sorte zu den Standortbedingungen und zum Boden passt. Da mussten wir am Anfang unseres Projekts Lehrgeld zahlen. Dennoch: Es ist für jede NABU-Gruppe, die ein Betätigungsfeld sucht, eine lohnende und erfüllende Aufgabe, eine Streuobstwiese anzulegen und zu pflegen. Wenn die Bäume groß sind, ist es auch nicht mehr entscheidend, dass sie jedes Jahr geschnitten werden. Selbst wenn man dann vor dem Risiko steht, dass die Wiese nicht mehr weiter betreut werden kann, hat man dennoch einen Lebensraum geschaffen, der einen Wert für sich hat.
Wer kann bei der Auswahl von geeigneten Apfelsorten helfen?
Im NABU gibt es die AG Streuobst, die hilft gern. Ansonsten kann man den Pomologenverein ansprechen und es gibt inzwischen auch gute Literatur zur Sortenwahl.
Worauf freust du dich auf eurer Streuobstwiese jedes Jahr?
Am schönsten finde ich die Streuobstwiese während der Blüte. Ich fahre oft durchs Alte Land, das größte Obstanbaugebiet Nordeuropas. Diese Stangen der Niederstammkulturen, die da in Reih und Glied stehen... Überspitzt formuliert, sieht das mehr nach einer ausgewachsenen Spargelkultur aus als nach einer Obstwiese. Deshalb lacht mein Herz als Ökologe und Naturschützer, wenn ich Bäume sehe, die so wachsen dürfen, wie die Natur ihnen das gegeben hat, und die groß und üppig in voller Blüte stehen.