LNG-Terminal: NABU und BUND legen Widerspruch gegen Genehmigungen ein
Die Umweltverbände gehen juristisch gegen die Einleiterlaubnis biozidhaltiger Abwässer und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vor. Mehr →
18. November 2022- „Wir betrachten insgesamt die Themen Gas und Fossile Energien“, erklärt Eilers das Anliegen des Verbändebündnisses. „Wir machen keine illegalen Aktionen, die Polizei weiß immer, wo wir sind und was mir machen. Aber wir fordern substantielle Antworten auf unsere Fragen zum Bau des LNG-Terminals.“ Fragen hat die energische Vorsitzende des NABU Wilhelmshaven so einige: „Welche chemischen Verbindungen geht das in die Jade eingeleitete Chlor ein? Was bedeutet die sieben Grad Temperaturdifferenz, die das eingeleitete Wasser im Unterschied zu Meereswasser hat, für die Kleinstlebewesen, die oft am Beginn der Nahrungskette stehen? Bleibt der Status UNESCO-Weltnaturerbe für das Wattenmeer erhalten? Ist der Einsatz der Technik mit dem Tourismus vereinbar, der hier ein großer Wirtschaftsfaktor ist? Brauchen wir das LNG wirklich?
Eilers ärgert, dass die Politik die Einwände, Bedenken und den Informationsbedarf der Bevölkerung ignoriert. Die Informationsveranstaltung, die am 25.10.22 von der Landesregierung durchgeführt wurde, habe nicht den Zweck erfüllt, ergebnisoffen und gründlich die strittigen Punkte zu diskutieren. „Niedersachsens Ex-Umweltminister und jetziger Wirtschaftsminister, Olaf Lies, hat die Einwendungen der Bevölkerung vom Tisch gewischt mit der Begründung des überragenden öffentlichen Interesses für den Bau des LNG-Terminals. Leider haben die Planungs- und Genehmigungsbehörden bisher keinen offiziellen Erörterungstermin oder eine Anhörung angesetzt. Angeblich werden Einwendungen im Beschluss abgearbeitet. Aber das Schiff, oder wie es die Umwelthilfe nennt, die„Dreckschleuder“, ist ja bereits bestellt und bezahlt und soll noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen“, kritisiert Eilers.
Belastung der Jade mit Chlor - trotz Alternative
An dieser „Dreckschleuder“ erhitzen sich derzeit die Gemüter: Gemeint ist die sogenannte Floating Storage Regasification Unit – ein schwimmendes Flüssigerdgasterminal, das die Anlandung, Speicherung und Wiederverdampfung des flüssigen, stark gekühlten Gases ermöglicht. Zur Erwärmung des Gases wird Meerwasser genutzt. Um die Leitungssysteme des Schiffes freizuhalten, wird ein Biozid eingesetzt, wodurch chlorhaltige Abwässer anfallen, die in die Jade geleitet werden. „Es sind 2,7 Millionen Badewannen täglich, die aus der Jade entnommen werden“, macht Eilers diesen enormen Eingriff in die Natur plastisch. „Die 1,6 m messenden Einlassstutzen des Schiffes, durch die das Wasser angesogen wird, sind nicht vergittert; es steht zu befürchten, dass Fische und andere Meeresbewohner, die dort hineingeraten beschädigt oder sogar getötet werden.“
In Australien gescheitert, in Deutschland eingesetzt
Weil das LNG-Beschleunigungsgesetz keine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Bauvorhaben der Terminals und Pipelines vorsieht, wurde auch nicht geprüft, welche Auswirkungen das mit Chlor versetzte Wasser auf die Umwelt hat. „Das Schiff, die Höegh Esperanza, das jetzt in Wilhelmshaven zum Einsatz kommen soll, war bereits in Australien gechartert worden. Aus Umweltschutzgründen und nach Protest der Bevölkerung kam das Schiff dort aber nicht zum Einsatz. In Australien wurde 0,1 mg Chlorbeigabe je Liter Wasser angenommen, hier soll es sogar die doppelte Menge werden“, erläutert Eilers. „102 Kilogramm Chlor will man täglich in die Jade einleiten, es entstehen dabei mehr als 25 Spaltprodukte und chemische Verbindungen, aber niemand weiß, welche Folgen das für das sensible Ökosystem des Wattenmeers hat. Es gab im Vorfeld lediglich eine Modellierung.“
Dabei wäre ein anderes Vorgehen durchaus denkbar, sagt Eilers: „Es existieren Schiffe modernerer Bauart, die mit onboard-Heizsystemen mit Loopverfahren ausgerüstet sind, um das Gas zu erwärmen. Das heißt, diese Schiffe arbeiten mit einer Wassermenge, die an Bord bleibt und umgepumpt wird, so dass es immer das gleiche Wasser ist, das zur Erwärmung des Gases genutzt wird.“ Würden solche Schiffe eingesetzt, könnte zumindest die Einleitung der chlorhaltigen Abwässer in die Jade vermieden werden. „Derzeit liegt es in Brest in einer Werft und wir hoffen, dass noch Umbauten vorgenommen werden, aber auch darüber erlangen wir keine Klarheit“, ergänzt Eilers.
Zweifel an der Notwendigkeit des Vorhabens
Die Vorsitzende des NABU Wilhelmshaven stellt die Energiepolitik von Landes- und Bundesregierung aber ganz grundsätzlich auf den Prüfstand. Sie rechnet vor: „Dieses LNG-Terminal kann lediglich sieben bis acht Prozent des gesamten Gasbedarfs Deutschlands decken. Das ist äquivalent zum Energiebedarf der Einweg-Plastikindustrie. Würden wir also auf Reduktion von Plastikverbrauch setzen und einen partiellen Lockdown für Onewayplastik einführen, könnte man auf diesen zerstörerischen Eingriff komplett verzichten.“ Statt neue fossile Energiequellen zu erschließen, müsse die Politik auf Energieeffizienz und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien setzen, findet Eilers. „Auf jedem Dach, wo es möglich ist, brauchen wir eine Solarzelle. Wir müssen Solar- und Windkraft als Industrie priorisieren – und zwar mit aller Kraft.“
Überdies sei beim Gasverbrauch das Einsparpotenzial noch nicht ausgeschöpft: „Wir haben ja gesehen, dass die privaten Haushalte in den letzten Monaten ihren Gasverbrauch reduziert haben. Und auch die Industrie hat 12-15 Prozent ihres Gasverbrauchs eingespart, indem Prozesse untersucht und angepasst wurden.“ Eilers befürchtet, dass das LNG-Terminal die Nutzung der fossilen Energieträger zementieren wird. Dass die Bundesregierung die Nutzung der Terminals mit klimaschädlichem Frackinggas bis 2043 genehmigt hat, scheint die Befürchtung der Umweltverbände zu bestätigen.
Zerstörung eines EU-Vogelschutzgebietes
Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen sorgt sich der NABU insbesondere um ein EU-Vogelschutzgebiet, den Voslapper Groden-Nord. „Dieses wertvolle Schutzgebiet, das nun zur Disposition steht, hat eine Vogelbelegschaft von über 100 Arten, die dort brüten, rasten oder leben“, sagt Eilers. Für die Rohrdommel stellt das Gebiet einen der wichtigsten Brutplätze in Niedersachsen dar und auch für das Blaukehlchen und das Tüpfelsumpfhuhn sind die Flächen von landesweiter Bedeutung. „Die Firma TES (Tree Energy Solutions), die dort bauen will, macht heute schon Bodenproben auf dem Gelände, hat vor dem 1.Oktober bereits unrechtmäßig Bäume gefällt und baut Einfahrten zu einem Gelände, zu dem sie noch nicht einmal einen Bauantrag gestellt hat. Deshalb haben wir Strafanzeige gestellt“, berichtet Eilers. Für sie sei die Geschäftsidee der Firma TES reine Augenwischerei. „Es ist ein Wolkenkuckucksheim: Sie haben keine Kunden, keine Verträge, bisher liegen nur Absichtserklärungen vor. Sie wollen die erneuerbaren Energien aus Australien heranfahren und planen, Methan über Wasserstoff zu bilden, der irgendwo in der Wüste, an Küstenstationen umgesetzt wird. Und dafür sollen wir eines der höchstklassigen Vogelschutzgebiete der EU abgeben? Das ist ein NATURA 2000-Gelände, so etwas wurde in der EU noch nie zerschlagen!“
Auch das unterseeische Leben sei durch den Ausbau der Umschlaganlage Voslapper Groden bedroht: „Wo eine Liegewanne gebaut wird, muss gebaggert werden und das aufgenommene Material wird 15 Kilometer vor Wangerooge wieder verklappt. Wenn dort das Baggerschiff die Luken aufmacht, rieselt das Material nicht langsam ins Wasser, das knallt mit einem Rutsch auf den Boden“, veranschaulicht Eilers. So werde das unterseeische Leben am Meeresboden an zwei Stellen zerstört: An der Entnahme- und der Ablagestelle. „In dieser gesamten Gemengelage sind so viele Unwägbarkeiten enthalten, es fehlt an Wahrheit und Klarheit. Und solange das so ist, können wir dem Vorhaben nicht zustimmen“, resümiert die Vorsitzende des NABU Wilhelmshaven.
Die Umweltverbände gehen juristisch gegen die Einleiterlaubnis biozidhaltiger Abwässer und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vor. Mehr →
Der NABU will das Vorgehen bei der Genehmigung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven gemeinsam mit anderen Verbänden auf dem Klagewege überprüfen lassen. Mehr →
Mehrere Umweltverbände haben am 24.11. mit Bürgerinnen und Bürger auf einem alternativen Erörterungstermin über das geplante LNG-Terminal diskutiert. Mehr →
Die Umweltverbände NABU und BUND kritisieren das Vorhaben: Die Sicherung der Energieversorgung darf nicht zu Lasten geschützter Lebensräume und Arten gehen! Mehr →
BUND, NABU und WWF äußern sich kritisch zum LNG-Beschleunigungsgesetz, das voraussichtlich bis Ende der Woche verabschiedet werden wird. Mehr →
Mit einem neuen Gesetz, das die Bundesregierung aktuell plant, sollen die LNG-Vorhaben in Norddeutschland schneller umgesetzt werden. Mehr →
Durch den Betrieb des LNG-Terminals werden täglich bis zu 530.000 m3 mit Chlor- und Bromnebenprodukten belastete Ab- und Prozesswässer in die Jade geleitet. Mehr →