Abschluss Zwerggansprojekt
Zwerggans bleibt eine der bedrohtesten Vogelarten Europas



Zwerggänse - Foto: Helmut Kruckenberg
Die Zwerggans (Anser erythropus) ist die am stärksten gefährdete Gänseart Eurasiens. Ihr Brutgebiet erstreckte sich ehemals in einem durchgehenden, schmalen Band von Nordskandinavien bis nach Nordostsibirien. Heute gibt es dagegen nur noch einzelne, voneinander getrennte Reliktvorkommen in Lappland, nordöstlich des Ural und auf Taimyr sowie in Ostsibirien. Seit Jahrzehnten geht die Zahl der Zwerggänse im gesamten Verbreitungsgebiet rapide zurück. Obwohl die Zwerggans auf dem gesamten Zugweg streng geschützt ist, gilt Bejagung in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten, insbesondere in Kasachstan, als Hauptgrund für den negativen Bestandstrend.
Da die Versuche, durch intensive Aufklärungsarbeit der lokalen Jäger einen verbesserten Schutz der Zwerggans zu erreichen, weitestgehend wirkungslos blieben, begannen in den 1980er Jahren der schwedische Jagdverband mit einem „Bestandsstützungsprogramm“ des skandinavischen Anteils der Population. Durch den Einsatz von Weißwangengänsen als Stiefeltern für die jungen Zwerggänse konnte so der bestehende westliche Zugweg in die Niederlande zudem gestärkt werden. Das Bestandsstützungsprojekt verlief bis 2012 außerordentlich erfolgreich, doch dann entdeckten Seeadler in den Brutgebieten die flugunfähigen Zwerggänse zur Mauserzeit als leichte Beute und erlegten innerhalb von vier Wochen die Hälfte des Bestandes. Bis 2016 konnte sich der Brutbestand langsam wieder erholen, nicht zuletzt, weil das Seeadlerpaar in den vergangenen Jahren nicht mehr im Brutgebiet beobachtet wurde.
Das Projekt:
Ziel des NABU-Zwerggansprojektes war es, die Bedeutung Niedersachsens als Winterrastgebiet für diese Art zu erforschen. Dazu waren die ehrenamtlichen Gänsebeobachter aufgerufen und in vielen regionalen Vorträgen geschult worden, spezielles Augenmerk auf diese nicht so leicht zu erkennende Gänseart zu richten. Eine entsprechende Auswertung des niedersächsischen Vorkommens wird in den kommenden Monaten publiziert.
Gleichzeitig wurde eine internationale Zusammenarbeit zu den schwedischen Projektträgern (Projekt Fjällgors) und Zwerggansfreunden in den Niederlanden aufgebaut. Bereits im Herbst 2012 trafen sich Zwerggansschützer aus Schweden, den Niederlanden und Deutschland zu einer kleinen Tagung in Xanten am Niederrhein. Dieses Netzwerk arbeitet seither intensiv: gemeinsame Besuche, schneller Informationsaustausch über Email und SMS sowie intensive Bemühungen, die Schutzanstrengungen für die Zwerggans auch in den kommenden Jahren gemeinsam voranzutreiben.
In dieser Hinsicht war es auch wichtig, dass das Zwerggansprojekt bei der großen Artenschutzkonferenz des Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelabkommens (AEWA) im November 2015 als Experte vertreten war. Das Bundesumweltministerium lud Dr. Helmut Kruckenberg 2016 als Vertreter des Projektes zu einer Expertensitzung bei der EU-Kommission in Brüssel ein, wo sehr intensiv über den Status und künftigen Schutz der einzigen Brutpopulation der EU in Schweden diskutiert wurde. Dank der Initiativen aller Projektbeteiligten sind die Zwerggänse in die Europäische Rote Liste aufgenommen worden und es wird seit 2017 ein internationaler Rettungsplan für die Art erarbeitet, der auch die Individuen des westlichen Zugweges berücksichtigen muss.
Besenderung:
Im Sommer 2014 wurden 55 in Zuchtanlagen aufgezogene Zwerggänse mit dem Helikopter in die Brutgebiete geflogen und in der Nähe der wilden Artgenossen in die Freiheit entlassen. Fünf dieser Zwerggänse wurden mit kleinen Rucksendern ausgestattet, die eine lückenlose Verfolgung ihrer Flugrouten ermöglichten. Drei dieser Vögel flogen nach Niedersachsen und verblieben den überwiegenden Teil des Winters in der Hunteniederung und an der Unterweser. Von dort zog ein Tier über die Moorgebiete des Osnabrücker Landes weiter in die Niederlande. Ein weiterer Vogel überwinterte in Schleswig-Holstein bzw. Dänemark und ein weiterer Vogel flog von Südnorwegen über die Nordsee nach England und Belgien in die Niederlande. Im Frühjahr zogen die Zwerggänse zunächst mit den arktischen Gänsen Richtung Osten, fanden aber später über Finnland den Weg zurück nach Schweden. Im Sommer 2015 und 2016 wurden weitere Vögel zur Bestandsstützung ausgesetzt. Auch diese wurden mit Sendern versehen, die allerdings durch die schwedischen Projektpartner finanziert wurden.
Im Mai 2015 gelang dann endlich der Fang von drei wildlebenden Zwerggänsen in der schwedischen Kleinstadt Hudiksvall, wo die Vögel Ende April eine Zwischenrast einlegen. Zuvor waren diverse Fangversuche in Schweden und den Niederlanden gescheitert. Die Gänse "Niklas" und "Nina" sowie "John" flogen gemeinsam in das Brutgebiet, wo allerdings ein spätes Frühjahr mit hohem Schnee ein Brüten unmöglich machte. So flogen die Vögel im Juni zurück nach Hudikvsall, um dort zu mausern. Im Mai 2016 konnte ein weiterer Vogel ("Hanna") in Schweden besendert werden. Dieser Vogel wurde im Januar 2017 tot in den Niederlanden aufgefunden. Eine tierärztliche Untersuchung der Todesursache dauert derzeit noch an.
Durch die Besenderung von Zwerggänsen konnte gezeigt werden, dass die skandinavischen Gänse auf ihrem Herbstzug tatsächlich auch in Niedersachsen Zwischenrast einlegen. Für vier Wildvögel konnte dies Ende September mit Stopps an der Unterelbe nachgewiesen werden. Im Frühjahr 2016 waren die Vögel zunächst ohne Zwischenlandung zu einem bisher unbekannten Rastplatz auf Lolland (Dänemark) geflogen. Im April konnte nochmals ein weiterer Wildvogel in der schwedischen Kleinstadt Hudiksvall gefangen und mit einem hochmodernen Sender ausgestattet werden. Der Vogel "Hanna" flog erfolgreich in das Brutgebiet und im Herbst bis in das Wintergebiet Oude Land van Strijen bei Rotterdam. Hier allerdings wurde der Vogel später tot aufgefunden. Derzeit laufen aufwendige Untersuchungen, um die Todesursache zu bestimmen. Das Zwerggansweibchen "Nina" wurde im April 2016 von seinem Rucksack befreit, der einen hochauflösenden Datenspeicher enthielt. Dieser hatte ein Jahr lang reichhaltig Daten geliefert, musste aber aufwendig per Funk ausgelesen werden. Als sich die Gelegenheit bot, den Vogel erneut zu fangen, konnte der Datenspeicher abgenommen werden. Die Reise der Zwerggänse kann während der Zugzeit hier verfolgt werden.
Auch diese wichtigen Informationen zum Zugverhalten der Zwerggänse werden derzeit intensiv analysiert und werden in Kürze in einer wissenschaftlichen Studie publiziert werden.
Nach vier Jahren wurde das Projekt "Zwerggansschutz in Niedersachsen" Ende 2016 abgeschlossen. Ende November trafen sich Zwerggans-Experten aus vier Ländern und viele ehrenamtlich Begeisterte zu einer Abschlusstagung im Museum Mensch und Natur in Oldenburg. Hier wurden die Ergebnisse des Projektes vorgestellt und die europäischen Kollegen berichteten über Ihre Schutzbemühungen. Nach dem dramatischen Zusammenbruch der Brutpopulation in Schweden im Sommer 2012 zeigte sich im Sommer 2016 erstmals wieder ein guter Bruterfolg auf den Fjälls. Die winterlichen Erfassungen zeigen, dass der Bestand sich auf mindestens 73 Vögel erholen konnte. Damit bleibt die Zwerggans allerdings weiterhin eine der bedrohtesten Vogelarten Europas.
Wie geht es weiter?
Das internationale Netzwerk der Zwerggansschützer beabsichtigt, in den kommenden Monaten ein LIFE-Projekt bei der EU Kommission zu beantragen, um den Schutz der Art in der EU wirksamer vorantreiben zu können. Glücklicherweise gelang es, für die Fortführung der Besenderung die NABU-Zugvogelpaten als Förderer zu gewinnen, so dass die aktuell noch funktionierenden Sender nicht abgeschaltet werden mussten.
Dank:
Das Projekt wurde durch die Förderung von BINGO Lotto, der Umweltlotterie, und der Niedersächsischen Wattenmeerstiftung ermöglicht.