Verbandsklagerecht
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25.April 2024- „Die Straßentrasse verläuft quer durch das Flora-Fauna-Habitat (FFH-)-Gebiet Ems“, erklärt Katja Hübner vom NABU-Regionalverband Emsland/ Grafschaft Bentheim. „Ein Schutzgut speziell dieses Gebietes sind die Erlen-Eschen-Auwälder. Und weil diese Wälder europaweit besonders selten und gefährdet sind, ist dieser Lebensraumtyp als "prioritär" eingestuft und besitzt einen besonders strengen Schutz.“ Projekte, die diese Auwälder beeinträchtigen, dürfen nur umgesetzt werden, wenn vorher eine Stellungnahme der EU-Kommission eingeholt wurde oder besondere Ausnahmebedingungen erfüllt sind, z.B. wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen vorliegen. „Leider wurde vom Landkreis Emsland, der die Planungsunterlagen erstellen ließ, nicht erkannt, dass es durch den Baustellenbetrieb und die Flächeninanspruchnahme für den Straßenausbau sowie die Stickstoffbelastung durch den stark zunehmenden Verkehr zu erheblichen Beeinträchtigungen dieser wertvollen Waldbestände kommt. Deshalb wurde auch keine Stellungnahme der EU-Kommission eingeholt. Und die sonstigen Bedingungen für eine Ausnahme sind auch nicht gegeben“, erläutert die Umweltschützerin weiter. „Deshalb verstößt die von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) erteilte Genehmigung gegen europäisches Recht.“
Weiterhin wurde nicht erkannt, dass auch zwei nährstoffarme Stillgewässer - darunter der Versener Heidesee - durch die zu erwartenden Stickstoffimmissionen erheblich geschädigt werden. Entsprechende Maßnahmen, um diese Beeinträchtigungen zu vermeiden oder zu kompensieren, wurden nicht vorgesehen. Das ist besonders schlecht, weil gerade im Versener Heidesee sehr viele seltene und gefährdete, stickstoffempfindliche Pflanzen vorkommen. Dazu gehört auch das Schwimmende Froschkraut, das sogar dem europäischen Artenschutz unterliegt. Auch das Froschkraut wurde in keiner Weise von den Behörden berücksichtigt. Und ein zweites Vorkommen dieser Pflanzenart innerhalb des FFH-Gebietes "Ems" wurde räumlich falsch abgegrenzt und deshalb - fehlerhaft - ebenfalls als "nicht betroffen" eingestuft.
NABU geht davon aus, dass dem Eilantrag stattgegeben wird
Außerdem sorgt sich der NABU um sieben vom Aussterben bedrohte Falterarten. „Wir haben immer wieder im Genehmigungsverfahren vorgetragen, dass insbesondere auch das Naturschutzgebiet "Versener Heidesee" ein wertvoller Lebensraum für Falter ist, aber die Behörden haben sich geweigert, die Falterbestände zu erfassen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, klagt Hübner. „Jetzt liegen uns Daten eines versierten Falterexperten vor, dass in dem Gebiet sieben vom Aussterben bedrohte Nachtfalterarten vorkommen, deren Lebensräume durch die Baumaßnahme in Anspruch genommen werden. Vermeidungsmaßnahmen fehlen. Das ist naturschutzrechtlich nicht zulässig und zeigt, welche großen Auswirkungen diese Vorhaben auf die Biodiversität haben.“
Aufgrund der gravierenden Fehler und Verstöße gegen europäisches Habitat- und Artenschutzrecht geht der NABU davon aus, dass zuerst seinem Eilantrag vom Gericht stattgegeben und ein Baustopp verhängt wird und später auch die Klage selbst erfolgreich sein wird.
14. März 2024- Die E233 zwischen Meppen und Cloppenburg soll von zwei auf vier Spuren verbreitert werden. Gegen die Genehmigung des Baus eines ersten Teilstücks geht der NABU Niedersachsen nun gerichtlich vor. Für den ersten Planungsabschnitt für den vierstreifigen Ausbau der E233 lag der Planfeststellungsbeschluss vom 27. Februar bis 11. März dieses Jahres öffentlich aus. Dieser genehmigt den geplanten Ausbau der Bundesstraße von der A31 bis kurz hinter die Kreuzung mit der B70. Der NABU hat den Beschluss geprüft und wird dagegen vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen.
„Der vierstreifige Ausbau der E233 wird zu einer massiven Erhöhung der Verkehrsbelastung führen“, erklärt Dr. Holger Buschmann, Vorsitzender des NABU Niedersachsen. „Das ist nicht nur mit einer Steigerung der Lärm- und Schadstoffbelastungen für Anwohnerinnen und Anwohner und Erholungssuchende verbunden, sondern auch mit zusätzlichen Stickstoffimmissionen auf den angrenzenden Flächen. Insbesondere im FFH-Gebiet „Ems“ und im Naturschutzgebiet „Versener Heidesee“ befinden sich viele sehr wertvolle und zugleich stickstoffempfindliche Pflanzenarten und Lebensräume. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen wurden nicht ausreichend berücksichtigt,“ so der Naturschützer.
Eilverfahren nötig
Parallel zu einer Klage beim Bundesverwaltungsgericht wird der NABU auch ein Eilverfahren anstrengen. Denn auf Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses könnte die Straßenbauverwaltung sonst sofort mit dem Bau beginnen, ohne vorher das Ergebnis der Klage abzuwarten. In diesem Fall könnten schon wertvolle Teile von Natur und Landschaft zerstört sein, bevor das Urteil des Gerichts vorliegt. Mit Hilfe des Eilverfahrens soll die aufschiebende Wirkung der Klage erreicht und ein Baubeginn verhindert werden.
„Leider verursacht das Eilverfahren noch einmal zusätzliche Kosten“, beklagt Buschmann. „Insofern sind wir besonders dankbar, dass uns von vielen Seiten bereits finanzielle Unterstützung zugesagt wurde, damit wir im Sinne des Gemeinwohls massive Schäden an Menschen, Natur und Landschaft abwenden können.“
Das letzte Klageverfahren, dass der NABU in der Region Emsland / Grafschaft Bentheim angestrengt hat, endete bereits 2017. Das zeigt, dass der Umweltverband äußerst sparsam mit diesem Instrument umgeht. „Wir versuchen vorrangig, Kompromisslösungen zu finden und erheben nur im äußersten Notfall Klage,“ beschreibt der Landesvorsitzende. „Aber in diesem Fall lässt sich das nicht vermeiden.“
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