Klage gegen vierstreifigen Ausbau der E233
NABU widerspricht Verkehrsministerium
Der frühzeitige Hinweis auf den Wert des Versener Heidesees als faktisches FFH-Gebiet sei von den Behörden „völlig missachtet“ worden, so der NABU. Mehr →
Versener Heidesee - Foto: Erhard Nerger
30. April 2024- Der Versener Heidesee ist der in Niedersachsen größte und am besten ausgeprägte Lebensraum dieses Typs. „Seit langem ist bekannt, dass der Versener Heidesee ein sehr nährstoffarmes Gewässer ist, das viele gefährdete Pflanzen- und Tierarten beherbergt. Deshalb wurde das Gebiet ja auch schon als Naturschutzgebiet ausgewiesen“, erläutert Katja Hübner vom NABU-Regionalverband.
„Dieser Gewässer-Lebensraumtyp ist aber auch über die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt. Die bedeutendsten Bestände müssen an die EU-Kommission gemeldet und als FFH-Gebiet geschützt werden“, fordert Hübner. Auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz habe die hohe Wertigkeit des Gebietes bestätigt und eine Nachmeldung empfohlen. Das ist aber noch nicht passiert. „Insofern handelt es sich bei dem Gebiet von seiner Ausstattung und her faktisch um ein FFH-Gebiet. Formell ist es jedoch nicht als FFH-Gebiet anerkannt“, bilanziert Hübner.
Antrag liegt dem Umweltministerium vor
Damit diese formelle Anerkennung und Ausweisung auch erfolgt, hat der NABU einen Antrag an das Umweltministerium gestellt, das NSG "Versener Heidesee" als FFH-Gebiet an die EU-Kommission zu melden. „Das ist wichtig, weil sich aus dem Status eines FFH-Gebietes auch besondere Rechtsfolgen ergeben“, erklärt Hübner. So müssen Projekte auf ihre Verträglichkeit mit den Schutzzielen des Gebietes überprüft werden.
Wenn aber gar nicht allgemein bekannt ist, dass es sich um ein FFH-Gebiet handelt, wird diese Prüfung schnell vergessen. Dies ist gerade bei der Genehmigung des ersten Bauabschnitts des vierstreifigen Ausbaus der E233 passiert. Dort wurde nicht berücksichtigt, dass gerade für den sehr stickstoffempfindlichen Versener Heidesee die zusätzlichen Stickstoffbelastungen durch den zunehmenden Verkehr nach dem Ausbau eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. „Das stellt einen wesentlichen Mangel in den Planungsunterlagen dar und wird bei der Klage, die der NABU gerade anstrengt, sicher von Belang sein“, ist sich die Umweltschützerin sicher.
Aber auch andere Vorhaben müssen die Schutzwürdigkeit des Versener Heidesees berücksichtigen. So ist dem NABU bekannt, dass ein Landwirt einen Stallbau in der Nähe errichten möchte. Der Betrieb des Stalles sei mit Stickstoffemissionen verbunden. Und die Stadt Meppen plant in unmittelbarer Nähe die Erweiterung ihres Gewerbegebietes. Auch da müsse man prüfen, ob das mit dem Habitatschutzrecht überhaupt zu vereinbaren sei, so Hübner. „Wir hoffen deshalb sehr, dass das Umweltministerium schnell die Nachmeldung vornimmt, damit zumindest Rechtsklarheit besteht und alle Vorhabenträger genau wissen, worauf sie zu achten haben!“ Nun ist das Umweltministerium am Zug – folgt es der Einschätzung seiner Fachbehörde, ist es verpflichtet, das Gebiet bei der EU-Kommission nachzumelden.
Info: Welche Relevanz hat die FFH-Richtlinie?
Seit dem 21. Mai 1992 sind die europäischen Länder dabei, den Schutzgebietsverbund Natura 2000 nach den Vorgaben der FFH-Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie aufzubauen. Die genannten EU-Richtlinien sind wesentliche Umsetzungsinstrumente der europäischen Biodiversitätsstrategie, die das Ziel hat, den Verlust der Artenvielfalt in Europa einzudämmen. Das Schutzgebietsnetz nimmt mittlerweile ein Fünftel der EU-Landfläche ein und ist damit das größte ökologische Schutzgebietssystem der Welt.
Die FFH-Richtlinie wurde zusammen mit dem LIFE-Programm, dem einzigen direkten Finanzinstrument der EU für Umwelt- und Naturschutzprojekte, von den EU-Mitgliedstaaten zum Schutz der biologischen Vielfalt beschlossen. Seitdem hat es einen bedeutenden Beitrag für den Schutz von Arten und ihren Lebensräumen geleistet. Die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie sind das Rückgrat des Naturschutzes in der EU und vor allem in Niedersachsen. Biber, Kranich, Seeadler und viele andere Arten verzeichnen dank ihres EU-weiten Schutzes sogar Bestandszunahmen.
Der frühzeitige Hinweis auf den Wert des Versener Heidesees als faktisches FFH-Gebiet sei von den Behörden „völlig missachtet“ worden, so der NABU. Mehr →