Gesellschaftsjagden statt Schutz
Umweltverbände kritisieren Aufweichung der Jagdregelungen im Nationalpark Wattenmeer
26. November 2018 - Da sich die Jagdausübung direkt auf den Tierbestand des Wattenmeeres auswirkt und darüber hinaus Unruhe in einen Bereich trägt, der sich natürlich entwickeln soll, hat der NABU über das Umweltinformationsgesetz (UIG) die Zusendung der Pachtverträge beim Umweltministerium eingefordert. Er will prüfen, ob die Verträge mit Einschränkungen versehen wurden, die eine Jagdausübung an die Anforderungen des Nationalparks anpasst.
Der Antrag wurde an das Landwirtschaftsministerium weitergeleitet, das dem Antrag "teilweise" stattgegeben hat. Dem NABU wurden nur die Teile der geltenden Jagdpachtverträge der Inseln Norderney, Baltrum, Langeoog und Wangerooge übersandt, die nach Abschätzung des Landwirtschaftsministeriums Umweltinformationen enthalten. Die nun vorliegenden, in vielen Passagen und ganzen Paragraphen geschwärzten Jagdpachtverträge zeigen dennoch in den ungeschwärzten Abschnitten, dass eine deutliche Ausweitung der Jagd, verglichen mit den vorherigen Pachtverträgen, erfolgt ist.
Zukünftig mehr Gesellschaftsjagden im Schutzgebiet
Schockiert zeigen sich die Umweltverbände über die Erweiterung von Gesellschaftsjagden, die jetzt je nach Insel öfter durchgeführt bzw. zu verschiedenen Terminen auf verschiedene Gebiete aufgesplittet werden dürfen. Hinzu kommt, dass zwei weitere Gesellschaftsjagden zur Kaninchenjagd gesondert durchgeführt werden können und die Jagd auf Wasserfederwild nicht mehr als Gesellschaftsjagd angerechnet wird. Das bedeutet, hier können weitere 10 Tage gemäß des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) bei der Nationalparkverwaltung angemeldet werden.
„Eine Gesellschaftsjagd widerspricht den Nationalparkzielen in jeder Hinsicht. Jagdgesellschaftliche Events über den Schutzzweck zu stellen,ist absurd. In den Ruhezonen des Nationalparks muss die Jagd grundsätzlich untersagt werden“, sind sich die Naturschutzverbände einig. Nationalparke sollen, soweit es der Schutzzweck erlaubt, der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienen.
Generell gilt: „Eine Freizeitjagd im Nationalpark Wattenmeer ist mit den Schutzzielen nicht zu vereinbaren, besonders die Jagd auf ‚Wasserfederwild'“, empören sich die Niedersächsischen Naturschutzverbände. „Dabei kann das Land Niedersachsen als Eigentümerin der Flächen auf eine Jagdausübung schlichtweg verzichten - wenn es denn will und sich internationalen Standards verpflichtet fühlt.“
Flächen der Nationalparkverwaltung übertragen
„Die Zuständigkeit für die landeseigenen Flächen im Nationalpark muss von der Domänenverwaltung auf die Nationalparkverwaltung übertragen werden“, fordern die Naturschutzverbände. Dies entspricht auch einer Empfehlung im Nationalpark-Evaluierungsbericht aus 2012/2013. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass z.B. Wildfütterungen sowie die Anlage von weiteren jagdlichen Einrichtungen vom Domänenamt genehmigt werden können, obwohl die Nationalparkverwaltung die Gebietsentwicklung verantworten muss.
Die Verbände fordern Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast daher auf:
- die kürzlich neu abgeschlossenen Jagdpachtverträge zurückzunehmen
- auslaufende Jagdpachtverträge nicht zu verlängern
- die Vorbildfunktion des Landes im Nationalpark auf landeseigenen Flächen durch einen Verzicht auf die Jagdausübung umgehend sicherzustellen
- der Nationalparkverwaltung ggf. Maßnahmen zur Bestandslenkung von Tierarten als Ausnahme zu übertragen, etwa bei eingeführten Prädatoren oder Kaninchen und Damwild.
Ruhe in den Ruhezonen – keine Vogeljagd im Wattenmeer
Jagdfieber im Niedersächsischen Wattenmeer
29. August 2018 - Es droht die Verlängerung der Jagdpacht im Niedersächsischen Wattenmeer. In einer gemeinsamen Erklärung fordern Niedersachsens Natur- und Umweltschutzverbände die Landwirtschaftsministerin auf, endlich gemäß der Zielsetzung eines Nationalparks zu handeln. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium will noch mehr Vogeljagd im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer genehmigen. Die auslaufenden Jagdpachtverträge für die Inseln Norderney, Baltrum, Langeoog und Wangerooge sowie Flächen am Festland werden augenblicklich für weitere neun Jahre seitens der Domänenverwaltung stillschweigend verlängert. Für die niedersächsischen Umweltverbände ist das ein Skandal. Sie vermuten, dass sogar bisherige Regelungen, welche die Jagd zumindest in Teilbereichen einschränkten, nun wegfallen sollen.
Statt Verbesserungen zu erzielen, soll nun das Rad sogar zurückgedreht werden. Immer wieder hatten die Verbände ein Ende der Jagd im Wattenmeer gefordert. Dies mit besonderem Nachdruck im Jahr 2016 anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Nationalparks. Denn Jagd ist mit dem Schutzgedanken eines Nationalparks grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Das Zugeständnis des Gesetzgebers zur Jagdausübung, das mit der Einrichtung des Nationalparks einherging, ist nun endlich abzuschaffen. Doch bisher blieb das Land Niedersachsen untätig, obwohl es bundesweit fachlich anerkannt ist, dass solche nationalparkwidrigen Regelungen in Entwicklungs-Nationalparks innerhalb von längstens 30 Jahren gänzlich zurückgeführt werden.
Millionen Zugvögel rasten zweimal jährlich mehrere Wochen im nahrungsreichen Wattenmeer, um hier Energie aufzutanken - auf dem weiten Weg in die Brutgebiete im hohen Norden bzw. die Winterquartiere in südlichen Gefilden. Andere, vor allem verschiedene Gänsearten, verbringen den ganzen Winter in unserem gemäßigten Klima.
„Hunderte von Zugvögeln werden von Jägern erschossen oder von abgerichteten Jagdfalken erlegt, tausende von ihren Hochwasserrastplätzen vertrieben oder so stark beunruhigt, dass sie fluchtartig das Gebiet verlassen“, kritisiert Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. „Bei der Jagd auf Waldschnepfen kommt hinzu, dass dieser wunderbare Vogel im Schutzgebiet allein wegen seines Federkleides geschossen wird, das die Jäger dann stolz als Trophäe tragen. Diese Zeiten sollten eigentlich lange vorbei sein!“
Niedersachsen hat sich zur Einstellung der Jagd verpflichtet
„Nach über 30 Jahren ist es an der Zeit, die international geltenden Kriterien für Nationalparks einzuhalten. Denn mit der Einrichtung eines Nationalparks hat sich Niedersachsen auch zur Einstellung der Jagd im Nationalpark verpflichtet“, ergänzt der BUND-Landesvorsitzende Heiner Baumgarten.
Die niedersächsischen Naturschutzverbände fordern daher die sofortige Einstellung der Jagd im und am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Nicht einmal im Bereich der Inseln seien die Ruhezonen gänzlich als befriedete Bereiche ausgewiesen, monieren die Umweltverbände. Denn selbst innerhalb der streng geschützten Bereiche ist eine zehntägige Jagd auf Wasservögel noch erlaubt. Touristen, die Erholung in der Natur suchen, müssen stattdessen das Abschießen von Zugvögeln erleben.
Hintergrund:
Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer liegt inmitten einer der weltweit wichtigsten Drehscheiben des Vogelzugs und wurde – wie inzwischen das gesamte drei Staaten übergreifende Wattenmeer – von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Mehr als 10 Millionen Wat- und Wasservögel aus einem riesigen Einzugsgebiet der nördlichen Erdhalbkugel ziehen jährlich durch das Gebiet an der südlichen Nordseeküste. Sie sind auf ihrer anstrengenden Reise, die bei einigen Arten bis ins südliche Afrika reicht, auf störungsfreie Rastplätze und die nahrungsreichen Watten und Salzwiesen des Wattenmeers angewiesen. Eine Jagd stellt gerade zur Zugzeit eine große und schwerwiegende Störung der rastenden Vögel dar.
Eine gemeinsame Presseerklärung von: Naturschutzbund Niedersachsen (NABU), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Niedersachsen e.V. und Landesverband Bremen e.V., Der Mellumrat e.V., Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V. (LBU), NaturFreunde Deutschland e.V. Landesverband Niedersachsen, Naturschutzverband Niedersachsen e.V. (NVN), Niedersächsischer Heimatbund e.V. (NHB), Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz e.V., WWF Deutschland, Wattenmeerbüro
Nationalpark muss endlich internationale Kriterien erfüllen
07. September 2016 - Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer liegt inmitten einer der weltweit wichtigsten Drehscheiben des Vogelzugs und wurde – wie inzwischen das gesamte drei Staaten übergreifende Wattenmeer – von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.
Mehr als 10 Millionen Wat- und Wasservögel aus einem riesigen Einzugsgebiet der nördlichen Erdhalbkugel ziehen jährlich durch das Gebiet an der südlichen Nordseeküste. Sie sind auf ihrer anstrengenden Reise bis ins südliche Afrika auf störungsfreie Rastplätze und die nahrungsreichen Watten und Salzwiesen des Wattenmeers angewiesen. Eine Jagd stellt gerade zur Zugzeit eine große und schwerwiegende Störung der rastenden Vögel dar. „Niedersachsen hat das Wattenmeer in die bei der UN geführte Nationalparkliste aufnehmen lassen und steht so in der Verantwortung, die international geltenden Kriterien für Nationalparks einzuhalten“, so Dr. Holger Buschmann, Vorsitzender des NABU Niedersachsen. „Damit hat sich Niedersachsen auch zur Einstellung der Jagd im Nationalpark verpflichtet.“
Jagd als touristisches Event?
Die niedersächsischen Naturschutzverbände fordern erneut die sofortige Einstellung der Jagd im und am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. „Die Jagd hat sich sogar zu einem touristischen Event entwickelt“, kritisiert BUND-Landesgeschäftsführer Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler. So finden sich alljährlich Gruppen von Falknern im Nationalpark ein, um ihre Falken zu trainieren, Gastjäger aus dem ganzen Bundesgebiet gehen im Wattenmeer auf die Zugvogeljagd. „Besonders kritisch sehen wir den Abschuss der Waldschnepfe, deren "Malerfedern" und "Schnepfenbart" als jagdliche Trophäe geschätzt werden“, so Bodenstein-Dresler.
Jagdpachten im Bereich des Nationalparks sollten aus diesen Gründen nicht verlängert werden, so die Forderung der Naturschutzverbände. Eine fallweise erneute Vergabe müsse zumindest an strenge Auflagen zur Unterstützung der Nationalparkziele geknüpft werden. „Die Jäger sollten sich noch stärker als Partner des Nationalparks einbringen und mehr dem Schutzzweck dienende Aufgaben wahrnehmen, wie sie dies mit der Seehundzählung bereits tun“, sagt Hans-Ulrich Rösner vom WWF. Hilfreich für den Schutz bedrohter Arten und Lebensräume wäre beispielsweise eine mit der Nationalparkverwaltung abgestimmte, einvernehmliche Entnahme von eingeführten Prädatoren und Damwild.
Das Wattenmeer zwischen Den Helder in den Niederlanden und Esbjerg in Dänemark bildet das weltweit größte zusammenhängende Wattengebiet. Neben dem Schlick- und Sandwatt gehören zahlreiche andere Lebensräume, wie zum Beispiel Salzwiesen und Marschen, Dünen und Sandbänke, Seegraswiesen und Muschelbänke zu dem Gebiet.
Das große Nahrungsangebot macht das Wattenmeer unentbehrlich als Zwischenstopp für ziehende Wat- und Wasservögel. Auf ihrem "Ostatlantischen Zugweg" zwischen den südlichsten Überwinterungsgebieten in Afrika bis zu den arktischen Brutgebieten, die von Nordsibirien bis über Grönland nach Kanada reichen, ist das Wattenmeer als Nahrungs-, Rast-, Mauser- und Überwinterungsgebiet überlebenswichtig. Das Wattenmeer ist in allen drei Anrainerstaaten geschützt, in Deutschland durch drei Nationalparks. 2009 wurde es von der UNESCO als Weltnaturerbe ausgezeichnet.