Kite-Surf-Zonen im Nationalpark
Im Konflikt von Wassersport und Naturschutz
20. April 2016 - Die Trendsportart Kitesurfen erfreut sich in den letzten Jahren an den deutschen Küsten von Nord- und Ostsee zunehmender Beliebtheit. Mit zunehmender Zahl der Kiter häufen sich auch die Konflikte mit dem Naturschutz. Kitesurfer sind v.a. im küstennahen, flachen Wasser aktiv, nahe der Brut- und Rastgebiete vieler Vogelarten im Nationalpark Wattenmeer, aber auch in den Schutzgebieten der Ostsee. Durch ihre hohen Geschwindigkeiten, schnelle Richtungswechsel und die großen Lenkdrachen hat das Kitesurfen eine erhebliche Scheuchwirkung und beeinträchtigt den Erhaltungszustand der Vogellebensräume und der darin vorkommenden Arten. Der NABU steht für das Miteinander von Sport, Tourismus und Naturschutz, fordert jedoch klare Regeln für menschliche Aktivitäten in geschützten und sensiblen Lebensräumen.
In seinem aktuellen Hintergrundpapier (siehe rechts) fasst der NABU aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Kitesurfens auf die Vogelwelt zusammen, stellt die unterschiedlichen Regulierungsansätze in den Küstenbundesländern vor uns leitet daraus naturschutzfachliche Forderungen ab. Für den NABU steht fest: Das unregulierte Kitesurfen steht im Widerspruch zu den Schutz und Erhaltungszielen des Natura-2000-Netzwerks und insbesondere des Nationalparks und Weltnaturerbes Wattenmeer. Kitesurfzonen sollten nur außerhalb der Schutzgebiete und in wenig von Vögeln genutzten Gebieten eingerichtet werden, wenn ihre Naturverträglichkeit geprüft ist. Die anstehende Novellierung der Befahrensverordnung für die Wattenmeer-Nationalparks stellt dazu ein geeignetes Instrument dar.
Touristisches Gesamtkonzept für Wattenmeer fehlt
22. Dezember 2011 - Anlässlich der gestrigen Vorstellung der Pläne zur Genehmigung von Kitesurf-Arealen in Pewsum kritisiert der NABU Ostfriesland das fachlich nicht nachvollziehbare Vorgehen der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Der NABU sieht weder eine fachlich ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in Schutzzonen des Nationalparks noch die Notwendigkeit, Kite-Surfern im Nationalpark überhaupt Sportflächen zur Verfügung zu stellen.
Erreichen will der NABU, dass vor der Genehmigung weiterer Kiter-Reviere sowie im Falle anstehender Genehmigungsverlängerungen unabhängige, universitär gesteuerte Grundlagenforschungen zum Einfluss der Kiter durchgeführt werden. Ziel sei zudem, dass auch in der Nationalparkverwaltung die für untere Naturschutzbehörden geltenden Standards für die Beurteilung von Eingriffsvorhaben im Nationalpark Anwendung fänden.
„Die Glaubwürdigkeit der Nationalparkverwaltung als wesentliche Interessenvertretung für die Bewahrung und schonende Nutzung der Naturwerte dieser Region hat gelitten“, erklärte Uwe Schramm, Vorsitzender des NABU Regionalverbandes Ostfriesland. „Das Vorgehen im Falle der Kiter-Reviere war ein klares Eigentor der Nationalparkverwaltung.“
In höchstem Maße juristisch fragwürdig sei die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für eine Trendsportart in einem EU-Vogelschutzgebiet, ohne zuvor eine notwendige FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Im Rahmen einer Vorprüfung müsse die dafür zuständige Nationalparkverwaltung für alle Eingriffe prüfen, ob die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Schutzgüter dieses EU-Vogelschutzgebietes bestehe. Dass man hierbei in Anbetracht der Vögel scheuchenden Wirkung selbst kleiner Drachen für die schnellen, großformatigen Lenkdrachen der Kitesurfer mitten in der Drehscheibe des Vogelzuges zu einem anderen Ergebnis kommen könne als dem einer erheblichen Beeinträchtigung, sei für den NABU Ostfriesland unvorstellbar.
„Jedes Kleinkind weiß doch schon, dass Vögel bei Annäherung auffliegen und verscheucht werden“, stellte Uwe Schramm, Vorsitzender des NABU-Regionalverbandes Ostfriesland fest. „Die Kite-Surfer setzen mit ihren Fluggeräten die an Land bereits reichlich stattfindenden Störungen auf der Seeseite weiter fort.“ Fest stehe, dass es bis heute keinerlei wissenschaftliche Grundlagendaten zu Veränderungen der Raumnutzung rastender Vögel, zum Vogelfluchtverhalten beim Eintreffen einzelner oder mehrerer Kite-Surfer oder zu Störwirkungen durch Fehlverhalten von Kite-Surfern außerhalb der Kite-Zonen gebe. Die Untersuchungen von Matthias Bergmann hätten lediglich eine nicht systematisch angelegte Stichprobe geliefert, die als Beurteilungsgrundlage nicht ausreiche.
Bei Fehlverhalten von Kitern wird darauf verwiesen, dass die Gemeinde- und Kurverwaltungen Sanktionen erlassen und die Wasserschutzpolizei auf dem Wasser einschreiten könne. Angesichts einer personellen Unterbesetzung des Nationalparks mit nur fünf Nationalpark-Rangern und einer bislang in allen Fällen tatenlos zusehenden Wasserschutzpolizei sei klar, dass die sich bislang selten an Schutzvorschriften haltende Kiter-Szene dadurch nicht annähernd in den Griff zu bekommen sei.
„Die Nationalparkverwaltung muss endlich erkennen, dass sie mit der Ausweisung von Kiter-Revieren keine Probleme löst, sondern nur neue schafft“, ist sich Uwe Schramm sicher. Der NABU Ostfriesland werde sich darum bemühen, dass die Genehmigungen in Zukunft nicht mehr verlängert und keine neuen Genehmigungen erteilt würden. Den Schlüssel dafür sieht der NABU in der derzeitigen von der Nationalparkverwaltung selbst vorgenommenen Einstufung der Kitesurfer als Wasserfahrzeug. Ein wesentliches Merkmal für die im Nationalpark von Einschränkungen befreiten Wasserfahrzeuge sei die Kontrollierbarkeit des Fahrzeuges, was für die Kiter nicht im zu fordernden Maße gelten könne. Diese würden in Abhängigkeit von den persönlichen Fähigkeiten der Kiter und bei besonderen Witterungssituationen immer wieder abgedriftet. Zudem sieht der NABU die Kitesurfer eher als Drachen, die im Gegensatz zu Wasserfahrzeugen Einschränkungen unterliegen.
Naturschutz-Probleme mit der Trendsportart 'Kite-Surfen' - Ein Erfahrungsbericht aus Schleswig-Holstein
Keine Kite-Surf-Zonen im Nationalpark
Touristisches Gesamtkonzept für Weltnaturerbe fehlt
20. November 2009 - Aufgrund der störungsbedingten Unverträglichkeit des Kitesurfens sieht der NABU Ostfriesland nur sehr kleine Spielräume für diese Trend-Sportart im Nationalpark. Grundsätzlich muss ein überzeugendes und dem Status als Weltnaturerbe angemessenes Gesamtkonzept für den Nationalpark vorliegen. Die bisherige Genehmigungspraxis wird vom NABU abgelehnt.
Der NABU-Regionalverband Ostfriesland befasste sich auf seiner Verbandstagung in Wiegboldsbur ausgiebig mit der Kitesurf-Problematik im Bereich des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer . „Mit der Auszeichnung als Weltnaturerbe wird die globale Bedeutung des Wattenmeeres überdeutlich betont“, hob Uwe Schramm als neuer Sprecher des NABU Ostfriesland hervor. Nationalparke hätten in erster Linie das Ziel, wertvolle Ökosysteme zu schützen und für jetzige und zukünftige Generationen zu sichern. Das Ökosystem Wattenmeer sei global so eng mit dem Vogelzug verknüpft, dass Beeinträchtigungen, wie sie durch das Kitesurfen entstehen, zentrale Schutzziele in Frage stellen. Daher sei das Kitesurfen nach einhelliger Auffassung im NABU Ostfriesland nicht mit dem Nationalpark vereinbar.
Vor diesem Hintergrund werden die aktuellen Bemühungen zur Ausweisung von Kite-Surf-Zonen im Nationalpark vom NABU sehr kritisch gesehen. Vor allem die in Upleward ohne fachgerechte Durchführung einer rechtsverbindlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung ausgewiesene Zone erfüllt nach Darstellung des NABU die Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht. „Die Muschelschillbank vor Campen ist einer der größten Schätze im Nationalpark und sie verdient größtmöglichen Schutz vor jeglichen Nutzungsansprüchen und Störungseinflüssen“, so Uwe Schramm weiter.
Der NABU fordert weiter, dass die Zulassung problematischer Freizeitaktivitäten in der Erholungszone nur im Rahmen eines touristischen Gesamtkonzepts für den Nationalparkraum erfolgen dürfe. Die Befriedigung aller Urlauberansprüche zur kritiklosen Erhöhung der Übernachtungszahlen werde vom NABU kategorisch abgelehnt. Hier müsse eine langfristige und im Sinne der Bewahrung des Weltnaturerbes nachhaltige Entwicklung angestoßen werden, die eine weitere Inanspruchnahme besonders schützenswerter Natur verhindere. Der NABU werde daher alle Anträge auf Ausweisungen von Kite-Surf-Zonen außerhalb der Erholungszonen ablehnen und gegen eine Aushöhlung bestehender Gesetze vorgehen.
Die Surfer erreichen extrem hohe Geschwindigkeiten und entfalten dadurch in Verbindung mit dem drachenartigen, in großer Höhe schwebenden Kitesegel ein wesentlich höheres Störungspotential als alle anderen Wasserfahrzeuge. Dies sei umso bedenklicher, weil die Kite-Surfer nach Feststellung der Naturschützer immer wieder in die Ruhezonen des Wattenmeer-Nationalparks eindrängen. Aber auch in den Zwischen- und Erholungszonen, die selbst oft genug nur zur Sicherung ökonomischer Interessen nicht zur Ruhezone wurden, stellten die Kite-Surfer ein erhebliches Störpotential dar.
Gleichwohl sieht der NABU in engen Grenzen grundsätzlich Spielräume, die Ausübung der Sportart zu kanalisieren. Für eine Ausweisung von Bereichen als Kite-Surf-Zonen kommen nach Auffassung des NABU aber ausschließlich bestehende Erholungszonen in Betracht. Keinesfalls genehmigt werden dürften Ausweitungen der Erholungszonen zu Lasten der kostbaren Zwischen- und Ruhezonen. Selbst bei einer Nutzung von Erholungszonen sei eine besonders eingehende und sensible Betrachtung der möglichen Auswirkungen vorzunehmen und eine Genehmigung dürfe allenfalls erfolgen, wenn die vorrangigen Zielsetzungen des Nationalparks nicht beeinträchtigt würden.
Daher seien vor Erteilung einer Genehmigung sowie begleitend nach der Ausweisung der Zonen fachlich fundierte ornithologische Untersuchungen erforderlich. Da es wegen der natürlichen Dynamik des Wattemeeres zu Veränderungen in der Bedeutung von Teilflächen für die Vögel kommen könne, dürften die Genehmigungen immer nur befristet erfolgen. Der für eine Genehmigung nach dem Nationalparkgesetz erforderliche Nachweis, dass das Verbot „eine ungewollte Härte“ darstelle und die Zonen unbedingt notwendig seien, sei für die Kite-Surf-Zonen nach Auffassung des NABU nicht zu führen, wenn ein nachhaltiges Tourismuskonzept im Weltnaturerbe Wattenmeer realisiert werden soll.
Selbst bei Respektierung der jetzt festgesetzten Grenzen der Zonen – was nach allen bisherigen Erfahrungen zumindest von einem Teil der Surfer-Szene nicht zu erwarten sei – seien die Störungen aufgrund der geringen Entfernungen zur Muschelschillbank und die Auswirkungen auf ziehende Vogelschwärme enorm. Die erfolgte befristete Genehmigung werde daher mit Nachdruck abgelehnt und eine Rücknahme zum nächst möglichen Zeitpunkt gefordert. Der NABU werde alle rechtlichen Mittel prüfen, um gegen die Genehmigung und die avisierte Verlängerung über 2010 hinaus vorzugehen.