Hummelschutzfläche in Cadenberge eingerichtet
Kooperation mit Streuobstwiesenpädagoge



Die neue Infotafel auf der Hummelschutzfläche in Cadenberge. Von links nach rechts: Nicole Feige (NABU Niedersachsen, Projektleiterin), Herbert Jungclaus (Streuobstwiesenpädagoge), Ursel Richelshagen (NABU Land Hadeln), Kerstin Hälbig (NABU Cuxhaven). - Foto: Uwe Mestemacher
12. April 2023-Auf einer Streuobstwiese in Cadenberge wurde eine spezielle Saatgutmischung für die seltene Mooshummel ausgebracht, schon bestehende Blühflächen ausgezäunt und eine Infotafel errichtet. Die Fläche soll Hummeln als Nistplatz dienen. Im Rahmen des Projektes „Bestandsschutz seltener Hummelarten in Niedersachsen“ findet in Kooperation mit dem Streuobstpädagogen Herbert Jungclaus auf den Flächen eine gezielte Förderung seltener Hummelarten statt.
Der NABU Niedersachsen stellte dazu eine speziell regional angepasste Saatgutmischung für seltene Hummeln zur Verfügung, die zusammen mit dem Biologen und Hummelfachmann Rolf Witt entwickelt wurde. Im Unterschied zu anderen Saatgutmischungen wird den Mooshummeln so ein bis in den Herbst blühendes Angebot geboten. Davon profitieren auch viele andere Hummelarten. Herbert Jungclaus hat die Mischung bereits auf einer großen Fläche ausgesät und schon bestehende Blühflächen ausgezäunt. Dort kann sich nun eine verfilzte Krautschicht als Nistplatz für Hummeln entwickeln.
Bereits im Vorjahr konnte eine Voruntersuchung eine Mooshummel-Arbeiterin nachweisen, sodass die Chancen für eine erfolgreiche Besiedlung sehr gut sind. Nun wurde auch eine Infotafel aufgestellt, die den Besuchern der Streuobstwiese das Projekt und die für die Region charakteristischen Hummeln näherbringt.
Siedlungsschwerpunkte dieser in Niedersachsen sehr gefährdeten Hummelart sind heutzutage nur noch die Küstenregion Niedersachsens und wenige großflächige Hochmoorbereiche. Die erst spät aus der Überwinterung kommende Art ist auf offene, großflächige Lebensräume angewiesen. Die Nester werden im Elbe-Weser-Dreieck bevorzugt in der Krautschicht von breiten Säumen am Rand von Grünland und Schilfbeständen angelegt.
Die Mooshummel ist auf ein üppiges und spezielles Blütenangebot angewiesen, das bis in den Herbst hinein ausreichend Nahrung bietet. Dazu dürfen die Blüten erst spät im Jahr oder nur abschnittsweise gemäht werden. Begehrt sind vor allem alte Rotkleesorten und andere Schmetterlingsblütler. Derartige Strukturen sind in der modernen Landwirtschaft heute leider kaum noch zu finden. Früher konnte die Mooshummel und weitere vom Aussterben bedrohte Hummeln von einer extensiven Landwirtschaft profitieren.
Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter, die am Hummelschutz interessiert sind, können sich gerne an die Projektleitung wenden.
Erste Freisetzung von Mooshummel-Königinnen
Wiederansiedlung am Steinhuder Meer

Mooshummel in Transportschachtel - Foto: Rolf Witt
24. Juni 2022- Es hatte einiges an sorgfältiger Vorbereitung gekostet, doch bereits im Mai konnten im Rahmen des von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung geförderten Projekts „Bestandsschutz seltener Hummelarten in Niedersachsen“ des NABU Niedersachsen drei Mooshummel-Königinnen am Steinhuder Meer ausgesetzt werden. Die Umsiedlung und Freisetzung lief in Kooperation mit den jeweiligen Unteren Naturschutzbehörden.
„Die Mooshummel ist bundesweit stark gefährdet und hat in Niedersachsen heutzutage ihren Siedlungsschwerpunkt fast nur noch in der Küstenregion“, erklärt NABU-Projektleiterin Nicole Feige. „Mit der Wiederansiedelung in ihren ehemaligen natürlichen Hochmoorlebensräumen wollen wir den Bestand dieser Art in Niedersachsen stärken.“ Dazu hat der Wildbienenexperte Rolf Witt in den vergangenen Jahren viel Vorarbeit geleistet. In Zusammenarbeit mit der Region Hannover wurde im Naturschutzgebiet „Totes Moor“ am Steinhuder Meer eine passende Fläche ausgewählt, die seit vielen Jahren durch die Region Hannover renaturiert wird. Intensive Vor-Ort-Studien von Rolf Witt ließen erkennen, dass dabei auch die Bedürfnisse von seltenen charakteristischen Hummelarten besonders berücksichtigt werden und die Fläche daher für eine Wiederansiedelung geeignet ist.
„In den Wochen davor musste das kleine Zeitfenster ermittelt werden, in dem es überhaupt erfolgsversprechend und verantwortbar ist, die Königinnen in das neue Habitat zu überführen. So muss gewährleistet sein, dass die Königinnen erst kurz vorher aus der Überwinterung geschlüpft sind und noch kein eigenes Nest gegründet haben“, erklärt Witt. Dazu wurden die bekannten Mooshummellebensräume an der Unterweser teilweise mit Unterstützung ehrenamtlicher Hummelschützer*innen über viele Tage kontrolliert. Sorgfältig wurde überprüft, ob die Populationen so individuenreich waren, dass die Entnahme der drei Königinnen nicht zu einer Gefährdung des Bestandes führen könnte.
Aufregender Transport der Hummeln
Schließlich fing Rolf Witt drei Königinnen ein und überführte die Tiere in einer regulierbaren Kühlbox, verpackt in vorbereitete Transportkartons mit Futterangebot in Form einer Fructoselösung, in ihre neue Heimat. Die Methode wurde zuvor mit anderen Wildbienenarten erfolgreich getestet. Trotzdem war der Transport der sehr seltenen Mooshummelköniginnen von besonderer Spannung begleitet.
Bei dem Zielstandort handelt es sich um eine große, offene Moorheide mit einem zu diesem Zeitpunkt reichen Blütenangebot an Rosmarinheide, die vermutlich eine Schlüsselpflanze zur Versorgung auch anderer Hummelarten darstellt. Nach dem Öffnen der Transportboxen saßen die Hummelköniginnen noch eine knappe Minute in der Schachtel. Dann flogen die agilen Tiere plötzlich in die Höhe und verschwanden in der offenen Fläche. „Das Verhalten entsprach erfreulicherweise dem normalen Abflugverhalten nach einem Pollensammelflug. Die ganze Aktion verlief somit optimal“, resümiert der Biologe zufrieden.
In den kommenden Wochen werden in Zusammenarbeit mit der Region Hannover Kontrollsuchen im Toten Moor durchgeführt. Das Aussetzen weiterer Mooshummelköniginnen bzw. Mooshummelvölkern ist geplant. Eine Wiederansiedelung seltener Hummelarten wie der Mooshummel ist eines der Hauptziele des Projektes.
Die Vorarbeiten zur Hummelwiederansiedelung

Mooshummel - Foto: Michael Steven
Nach den ersten bestandssichernden Maßnahmen und den Erfassungsergebnissen aus dem vorangegangenen Hummel-Projekt ist es konsequent, über eine Wiederansiedlung nachzudenken. Im Artenschutz werden Wiederansiedlungen in der Regel als letztes Mittel durchgeführt, wenn Metapopulationen (Teilpopulationen) der betroffenen Arten in einem bestimmten Gebiet ausgestorben sind. Hat auch die Verbesserung der Lebensbedingungen durch gezielte Maßnahmen nichts genützt und ist eine natürliche Besiedlung der Art nicht mehr zu erwarten, zum Beispiel, wenn das nächstgelegene Vorkommen der Art zu weit entfernt ist, kann eine Wiederansiedelung zielführend sein. Eine Wiederansiedelung stärkt außerdem den Genaustausch zwischen den vereinzelten Teilpopulationen und beugt der Inzucht vor, die die Population gefährden könnte.
Viele Hummelarten in Niedersachsen sind gefährdet und einige scheinen sogar trotz lebensraumverbessender Maßnahmen vor dem Aussterben zu stehen. Ein Wiederansiedlungsprojekt könnte diesen bedrohten Hummelarten also beim Überleben helfen. Um Individuenverluste auszuschließen und Risiken zu minimieren, sollten jedoch zunächst Erfahrungen mit einer Hummelart gesammelt werden, die nicht hochgradig gefährdet ist. So ist zum Beispiel die Mooshummel (Bombus muscorum) zwar auf das Verbreitungsgebiet bezogen selten, aber scheinbar nicht akut vom Aussterben bedroht, da sie an einigen Standorten noch recht zahlreich vorkommt. Mit ihr soll daher die Wiederansiedlung in einer ersten Phase getestet werden.
Zuerst soll die Wiederansiedlung im Binnenland erfolgen
Erfolgversprechendsten ist nach dem bisherigen Kenntnisstand eine Wiederansiedlung in Binnenlandlebensräumen. Die Mooshummel ist bundesweit stark gefährdet. Im Küstenbereich konnten sich noch Bestände halten, die meisten Lebensräume im Binnenland sind jedoch verlorengegangen. Niedersachsen hat also eine besondere Verantwortung zum Erhalt dieser anspruchsvollen Hummelart in Deutschland. Kristallisieren sich weitere geeignete Hummelarten im Laufe des Projektes heraus, wird eine Erweiterung bzw. Anpassung der Zielarten in Erwägung gezogen.
Bisher hat es in Deutschland noch kein Wiederansiedlungsprojekt für seltene Hummeln gegeben. Hingegen liegen über das Umsiedeln kompletter Hummelvölker oder die Ansiedlung und Haltung in Nistkästen für einige Arten umfangreiche Erfahrungen vor. Diese müssen allerdings für die Zielart überprüft, angepasst und getestet werden.
Weltweit ist bisher nur ein großangelegtes Wiederansiedlungsprojekt aus England bekannt. Dessen Ziel ist es, die dort ausgestorbene Erdbauhummel (Bombus subterraneus) wieder einzuführen. Nach mehrjähriger Vorbereitung wurden Jungköniginnen aus Südschweden in speziell optimierte Lebensräume in Kent ausgesetzt, die ehemals von der Art besiedelt waren. Aufgrund der Einfuhr aus einem anderen Staat auf die britische Insel mussten umfangreiche hygienische und parasitologische Untersuchungen durchgeführt werden, die eine Quarantäne erforderlich machte. In dem NABU-Niedersachsen-Projekt „Bestandsschutz für seltene Hummelarten in Niedersachsen“ sollen die Tiere ausschließlich aus niedersächsischen Spenderpopulationen ähnlicher Habitate stammen, um den Untersuchungsaufwand und bürokratische Hürden zu minimieren.
Zur Vorbereitung der Wiederansiedlung ist ein direkter Erfahrungsaustausch mit den englischen Projektleitern in England geplant. Mittels der dort bereits gewonnenen praktischen Erkenntnisse sollen die Risiken im niedersächsischen Wiederansiedlungsprojekt so klein wie möglich gehalten werden. Grundvoraussetzung ist eine langfristige Sicherung der Lebensräume.
Nach einer erfolgreichen und planmäßigen Wiederansiedlung der Mooshummel lassen sich die Risiken so gut einschätzen, dass auch über die Wiederansiedlung von akut bedrohten Arten nachzudenken wäre.
>>Mehr zur Wiederansiedlung der Erdbauhummel in Großbritannien
Neue Kooperationen im Hummelschutz
1. September 2020- In der Wesermarsch hat sich im Laufe des Jahres eine neue Kooperation zum Hummelschutz ergeben: Auf Initiative des Landkreises Wesermarsch und der Stadlander Sielacht als Flächeneigentümer wird eine Grünlandfläche für Insekten optimiert. Bei einem Ortstermin Anfang Mai, an dem auch der Kreislandvolkverband Wesermarsch e. V. als weiterer Partner teilnahm, zeigte sich, dass sich die Fläche hervorragend für das Hummelprojekt eignet.
Denn das extensiv bewirtschaftete Grünland liegt nur wenige Kilometer entfernt von zwei bereits bekannten Moos- und Sandhummelvorkommen. Allerdings gingen dort in den letzten Jahren die Bestände zurück aufgrund einer geänderten Bewirtschaftung. Die neue Fläche bietet den Hummeln so einen neuen Lebensraum.
Inzwischen wurden Teilbereiche mit hummelfreundlichem Saatgut eingesät, Randbereiche als Nistplätze ausgezäunt und eine Infotafel „Hummelland am Wegesrand“ aufgestellt. Das gemeinsame Projekt ist langfristig angelegt, eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen ist geplant und es wurden bereits weitere Pflegevorschläge erarbeitet.
Die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Landwirtschaft ist sehr erfreulich und soll in der Zukunft weiter ausgebaut werden. So hat beispielsweise auch das Grünlandzentrum Interesse an einer Zusammenarbeit angemeldet.