Die Vorarbeiten zur Hummelwiederansiedelung



Mooshummel - Foto: Michael Steven
Nach den ersten bestandssichernden Maßnahmen und den Erfassungsergebnissen aus dem vorangegangenen Hummel-Projekt ist es konsequent, über eine Wiederansiedlung nachzudenken. Im Artenschutz werden Wiederansiedlungen in der Regel als letztes Mittel durchgeführt, wenn Metapopulationen (Teilpopulationen) der betroffenen Arten in einem bestimmten Gebiet ausgestorben sind. Hat auch die Verbesserung der Lebensbedingungen durch gezielte Maßnahmen nichts genützt und ist eine natürliche Besiedlung der Art nicht mehr zu erwarten, zum Beispiel, wenn das nächstgelegene Vorkommen der Art zu weit entfernt ist, kann eine Wiederansiedelung zielführend sein. Eine Wiederansiedelung stärkt außerdem den Genaustausch zwischen den vereinzelten Teilpopulationen und beugt der Inzucht vor, die die Population gefährden könnte.
Viele Hummelarten in Niedersachsen sind gefährdet und einige scheinen sogar trotz lebensraumverbessender Maßnahmen vor dem Aussterben zu stehen. Ein Wiederansiedlungsprojekt könnte diesen bedrohten Hummelarten also beim Überleben helfen. Um Individuenverluste auszuschließen und Risiken zu minimieren, sollten jedoch zunächst Erfahrungen mit einer Hummelart gesammelt werden, die nicht hochgradig gefährdet ist. So ist zum Beispiel die Mooshummel (Bombus muscorum) zwar auf das Verbreitungsgebiet bezogen selten, aber scheinbar nicht akut vom Aussterben bedroht, da sie an einigen Standorten noch recht zahlreich vorkommt. Mit ihr soll daher die Wiederansiedlung in einer ersten Phase getestet werden.
Zuerst soll die Wiederansiedlung im Binnenland erfolgen
Erfolgversprechendsten ist nach dem bisherigen Kenntnisstand eine Wiederansiedlung in Binnenlandlebensräumen. Die Mooshummel ist bundesweit stark gefährdet. Im Küstenbereich konnten sich noch Bestände halten, die meisten Lebensräume im Binnenland sind jedoch verlorengegangen. Niedersachsen hat also eine besondere Verantwortung zum Erhalt dieser anspruchsvollen Hummelart in Deutschland. Kristallisieren sich weitere geeignete Hummelarten im Laufe des Projektes heraus, wird eine Erweiterung bzw. Anpassung der Zielarten in Erwägung gezogen.
Bisher hat es in Deutschland noch kein Wiederansiedlungsprojekt für seltene Hummeln gegeben. Hingegen liegen über das Umsiedeln kompletter Hummelvölker oder die Ansiedlung und Haltung in Nistkästen für einige Arten umfangreiche Erfahrungen vor. Diese müssen allerdings für die Zielart überprüft, angepasst und getestet werden.
Weltweit ist bisher nur ein großangelegtes Wiederansiedlungsprojekt aus England bekannt. Dessen Ziel ist es, die dort ausgestorbene Erdbauhummel (Bombus subterraneus) wieder einzuführen. Nach mehrjähriger Vorbereitung wurden Jungköniginnen aus Südschweden in speziell optimierte Lebensräume in Kent ausgesetzt, die ehemals von der Art besiedelt waren. Aufgrund der Einfuhr aus einem anderen Staat auf die britische Insel mussten umfangreiche hygienische und parasitologische Untersuchungen durchgeführt werden, die eine Quarantäne erforderlich machte. In dem NABU-Niedersachsen-Projekt „Bestandsschutz für seltene Hummelarten in Niedersachsen“ sollen die Tiere ausschließlich aus niedersächsischen Spenderpopulationen ähnlicher Habitate stammen, um den Untersuchungsaufwand und bürokratische Hürden zu minimieren.
Zur Vorbereitung der Wiederansiedlung ist ein direkter Erfahrungsaustausch mit den englischen Projektleitern in England geplant. Mittels der dort bereits gewonnenen praktischen Erkenntnisse sollen die Risiken im niedersächsischen Wiederansiedlungsprojekt so klein wie möglich gehalten werden. Grundvoraussetzung ist eine langfristige Sicherung der Lebensräume.
Nach einer erfolgreichen und planmäßigen Wiederansiedlung der Mooshummel lassen sich die Risiken so gut einschätzen, dass auch über die Wiederansiedlung von akut bedrohten Arten nachzudenken wäre.
>>Mehr zur Wiederansiedlung der Erdbauhummel in Großbritannien