Die Corona-Krise – Teil der globalen Umweltkrise
Zusammenhänge dürfen nicht ignoriert werden!
2. April 2020 - „Wir dürfen nicht länger ignorieren, dass unsere Turbo-Globalisierung auch stets Folgen für das Leben und Überleben hat – des ganzen Planeten wie für jedes einzelne Wesen, Mensch, Tier, Pflanze und ihre Lebensräume. Was vermutlich auf einem so genannten ‚wet market‘, einem Wildtiermarkt mit toten und lebendigen Wildtieren in erbarmenswürdigem Zustand, im Süden Chinas seinen Anfang nahm, offenbart, dass wir Menschen mit den Lebewesen nach wie vor rücksichtslos umgehen.“ Mit diesen Worten appelliert Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, Konsequenzen zu ziehen – im Alltagsleben wie in der Politik.
Zugleich warnt er davor, den anklagenden Zeigefinger auf die Menschen in China zu richten: „Dass sich das Virus jedoch so rasant weltweit ausbreiten konnte, ist auch der von uns allen befeuerten Turbo-Globalisierung zu verdanken: Immer mehr, immer längere, oft absurd billige Transporte von Gütern rund um den Globus und der damit verbundene, anschwellende Reiseverkehr fachen eine solche Ausbreitung immer stärker an, bis sie kaum mehr in den Griff zu bekommen ist. So lange wir es für normal halten, Güter auf der anderen Seite der Welt zu produzieren – unter oft inhumanen Produktionsbedingungen, die nicht einmal im Ansatz vertretbaren Umweltstandards entsprechen – um bei Massenprodukten die Kosten um den letzten Zehntelcent zu drücken, nur, weil es den Profit erhöht; so lange solch ein Irrsinn weitergeht wie der Export von Schweineohren und -schwänzen nach Ostasien oder von Hühnerfleisch nach Afrika, das dort einheimische Agrarmärkte beschädigt, so lange haben viele noch gar nichts verstanden, weder von Ethik noch von ökologisch angemessenem Leben!“, sagt Buschmann.
Wir können und dürfen uns nichts vormachen, nicht in die Tasche lügen: Diese Zusammenhänge existieren, sie können nicht weggeredet und nicht geschönt werden.
Dr. Holger Buschmann
NABU-Landesvorsitzender
Zerstörung von Lebensraum und Artenvielfalt
„Gemeinsam sagen wir am Ast, auf dem die Menschheit sitzt. Alles hängt zusammen: Der Wahnsinn der entfesselten, unsinnigen Transporte mit der Umweltzerstörung in den Produktionsländern ebenso wie unsere Massentierhaltung, die darauf gründet, die Natur auszubeuten. Wer Tiere in solch großer, unvertretbarer Dichte hält und dafür Unmengen von Soja und Maniok mit damit verbundenem Regenwaldschwund importiert, dabei große Mengen Methan freisetzt, riesige CO2-Mengen beim Transport und zugleich Dreck aus Schiffsdiesel, schädigt das Weltklima.
Und trägt zugleich zur Lebensraumzerstörung bei uns vor der Haustür bei, indem zusätzlich Maiswüsten angelegt werden, wo einst Grünland war, durch dessen Umbruch weiteres Kohlendioxid als Klimagift freigesetzt wird. Und dann gehen viele der tierischen Produkte in den weltweiten Export – mit dem gleichen Transportwahnsinn“, fasst der NABU-Landesvorsitzende zusammen.
„Die heutige Turbo-Globalisierung wird die Erde zerstören. Sie ist vehement dabei, wie wir am dramatischen Rückgang der Artenvielfalt sehen – auch und gerade in Niedersachsen: Auch zwischen Borkum und dem Eichsfeld werden die Roten Listen lang und immer länger, die Sterbelisten all der Mitgeschöpfe, auf deren Überleben wir in einigermaßen intakten Ökosystemen angewiesen sind, wenn wir selbst überleben wollen.
Kein "Weiter so" im Agrarbereich
Deshalb ist es Zeit zum Umsteuern, insbesondere im Agrarbereich. Hier darf es nicht weiter nur um Menge gehen. Auch und gerade, um kleine und mittlere bäuerliche Betriebe zu erhalten, die eben nicht für Ostasien und Westafrika produzieren, sondern für uns. Auch in der Corona-Krise darf es keine falsche Beweihräucherung der heutigen Agrarindustrie geben, die die Gunst der Stunde nutzen möchte, sich als Retter darzustellen, um von den durch sie verursachten Umwelt- und Tierschutzproblemen abzulenken!
Wir brauchen eine konsequente Förderung des biologischen Landbaus und den Wiederaufbau regionaler, auch kleinteiligerer, nachhaltiger Produktionskreisläufe, sowohl bei landwirtschaftlichen Produkten als auch darüber hinaus – es ist kein Ruhmesblatt, im Januar Heidelbeeren aus Chile einzufliegen oder Spargel aus Peru, das ist völlige Klimaschutz-Ignoranz. Produktionsstätten müssen wieder verstärkt in der Nähe der Verbraucherinnen und Verbraucher liegen. Produkte müssen reparierbar sein und nicht auf schnellen Verbrauch ausgelegt.“
Diese Zusammenhänge dürften nicht ignoriert werden, mahnt der NABU-Landesvorsitzende, und warnt davor, „nach Corona“ einfach zur Tagesordnung überzugehen. „Auch Deutschland, Niedersachsen - wir alle müssen handeln. Jetzt. Sonst bleiben wir Trittbretthalter für weitere Pandemien, die unausweichlich kommen werden!“