Vorschläge in der Verbändeanhörung wurden nicht übernommen
Niedersächsische Wolfsverordnung: Sachargumente statt Polarisierung
UPDATE 6. Januar 2021: In der Pressemitteilung PI 001/2021 des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz wird dem NABU-Landesvorsitzenden Dr. Holger Buschmann vorgeworfen, beim Thema Wolf zu polarisieren. Weiterhin wird unterstellt, in der Verbändeanhörung zur Niedersächsischen Wolfsverordnung keine konstruktiven Vorschläge gemacht zu haben. Auf Sachargumente der EU-Beschwerde durch den NABU wird in der Pressemitteilung dagegen wenig eingegangen.
Daher seien an dieser Stelle nochmal die wichtigsten Argumente der EU-Beschwerde aufgeführt:
- Ein zentraler Aspekt der Beschwerde liegt in der Prognose zukünftiger wirtschaftlicher Schäden. So wird in der Verordnung davon ausgegangen, dass Pferde und Rinder per se wehrhaft wären und somit keine wolfsabweisende Zäune erforderlich wären. Eine wissenschaftlich untersetzte und hinreichend belastbare Erkenntnisgrundlage liegt dieser Annahme nicht zugrunde. Vielmehr zeigt die Praxis das Gegenteil und die zuständige Fachbehörde des Landes selbst hat eine derart pauschale Bewertung nicht als fachlich gerechtfertigt eingestuft.
- Auch weist die Verordnung eine Sonderregelung für den zumutbaren Herdenschutz bei Deichen und anderen Hochwasserschutzmaßnahmen auf. Hier sollen schlichte Einzäunungen, anstatt wolfsabweisender Zäune, Wölfe von den Schafen fernhalten. Hierfür gibt es keine tragfähige rechtliche Grundlage. Auch an Deichen lassen sich zumutbare Herdenschutzmaßnahmen durchführen.
- Weiterhin legt Niedersachsen ein auf das Bundesland bezogenes Verfahren zur Beurteilung des Erhaltungszustandes der Wolfspopulation fest. Der Bezugspunkt, an den sich der Erhaltungszustand einer Wolfspopulation knüpft, bemisst sich an natürlichen Verbreitungsgebieten bemisst, nicht an Bundeslandgrenzen (auch nicht an Staatsgrenzen).
Darüber hinaus hat der NABU nur ein von zwei Klageverfahren gegen Abschussgenehmigungen bis zu Ende führen können, da in einem Fall die Abschussgenehmigung im Laufe des Verfahrens ausgelaufen war. Im zweiten Fall hat der NABU das Verfahren entgegen den Aussagen des Nds. Umweltministeriums in Teilen gewonnen.
Keine konstruktiven Vorschläge?
Auch dem Vorwurf, bei der Verbändeanhörung keine konstruktiven Vorschläge gemacht zu haben, widersprechen wir entschieden: In einer ausführlichen Stellungnahme (s.u.) wurde dezidiert auf die einzelnen Aspekte des vorgelegten Verordnungsentwurfs eingegangen. Zur Überraschung des NABU wurde nicht auf EINEN dieser Punkte eingegangen, sondern im Gegenteil: es wurden weitere Verschärfungen zur Aufweichung des Schutzstatus des Wolfs in die Verordnung aufgenommen.
Schließlich hat sich der NABU bereits seit Jahren klar zur Entnahme von Problemwölfen bekannt. Allerdings muss ein Problemwolf bzw. ein Wolf mit auffälligem Verhalten nach klaren Kriterien definiert werden, wie es beispielsweise die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) und das Bundesamt für Naturschutz machen. Ein Wolf ist aus Sicht des NABU erst dann ein Problemtier, wenn er die empfohlenen wolfsabweisenden Herdenschutzmaßnahmen nachweislich überwindet und nicht, wenn er an Deichen oder bei Rindern ungeschützte Tiere erbeutet.
Appelle an die Politik helfen nicht mehr
Wolfsverordnung ist EU-rechtswidrig
5. Januar 2021- Niedersachsen weicht nach Auffassung des NABU mit seiner Verordnung weit von Beispielen anderer Bundesländer sowie vom EU-Recht ab. Dazu Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen: „Mit der nun vorliegenden Wolfsverordnung stellt sich das Land Niedersachsen nicht den Herausforderungen, die mit einer Koexistenz einhergehen, sondern weicht den Schutz des Wolfes massiv auf. In der Verordnung werden bundesweite Empfehlungen eines zumutbaren Herdenschutzes weiter nach unten korrigiert. Das wird den Weidetierhaltern nicht helfen, da Wolfsabschüsse keine Nutztierrisse verhindern.“ Es ist aus Nordamerika und Europäischen Nachbarländern bekannt, dass Abschüsse von Wölfen durch eine Zerstörung der Rudelstruktur in dem betroffenen oder Nachbargebiet sogar erhöhte Nutztierrisse zur Folge haben können.
Keine Bereitschaft der Politik, sich faktenbasiert mit dem Thema zu befassen
„Wir sehen uns nun zu diesem Schritt gezwungen, da alle wohlgemeinten Appelle in Richtung Politik, sich auf fachlicher Grundlage mit dem Thema Wolf zu beschäftigen, sang- und klanglos verklungen sind. Nun wird sich die EU mit der Niedersächsischen Wolfsverordnung beschäftigen. Nach dem bereits von der EU gestartetem Pilotverfahren droht nun ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren. Wieder einmal spielt Niedersachsen eine unrühmliche Rolle im europäischen Naturschutz, nachdem bereits die in Teilen fehlende und mangelhafte Schutzgebietsausweisung zu einem nach wie vor bestehenden Vertragsverletzungsverfahren geführt hat“, bekräftigt Dr. Buschmann.
Ein zentraler Aspekt der Beschwerde liegt in der Prognose zukünftiger wirtschaftlicher Schäden. So wird in der Verordnung davon ausgegangen, dass Pferde und Rinder per se wehrhaft wären und somit keine wolfsabweisende Zäune erforderlich wären. „Eine grobe Fehleinschätzung,“ beklagt Dr. Buschmann. „Eine wissenschaftlich untersetzte und hinreichend belastbare Erkenntnisgrundlage liegt dieser Annahme nicht zugrunde. Vielmehr zeigt die Praxis das Gegenteil und die zuständige Fachbehörde des Landes selbst hat eine derart pauschale Bewertung nicht als fachlich gerechtfertigt eingestuft.“
Auch weist die Verordnung eine Sonderregelung für den zumutbaren Herdenschutz bei Deichen und anderen Hochwasserschutzmaßnahmen auf. Anstatt wolfsabweisender Zäune sollen hier schlichte Einzäunungen die Wölfe von den Schafen fernhalten. „Für eine derartige Erleichterung der Tötung von Wölfen bei Schafsrissen bzw. Verletzungen auf Deichen gibt es keine tragfähige rechtliche Grundlage und die Annahme ist einfach fachlicher Nonsens. Auch an Deichen lassen sich zumutbare Herdenschutzmaßnahmen durchführen“, erklärt Dr. Buschmann.
Weiterhin legt Niedersachsen ein auf das Bundesland bezogenes Verfahren zur Beurteilung des Erhaltungszustandes der Wolfspopulation fest. „Es wird wissentlich verkannt, dass der Bezugspunkt, an den sich der Erhaltungszustand einer Wolfspopulation knüpft, nicht an Bundeslandgrenzen (auch nicht an Staatsgrenzen) sondern vielmehr an natürlichen Verbreitungsgebieten bemisst. Die Biologie von Tieren und auch von Populationen kann zudem nicht von einer Verordnung bestimmt werden“, erläutert Dr. Buschmann.
Niedersächsische Verordnung ein erster Schritt in Richtung "wolfsfreier Zonen"?
Es stellt sich die Frage, ob solche Forderungen ein erster Schritt in Richtung so genannter "wolfsfreier Zonen an der Küste" und "Wolfs-Abschussquoten" darstellen soll, wie wiederholt von Vertretern der niedersächsischen CDU und SPD gefordert. Beides wurde in verschiedenen Gerichtsverfahren wiederholt vom Europäischen Gerichtshof als 'nicht zielführend' abgewiesen. Es stehen bereits ausreichend rechtliche Mittel zur Verfügung, um mit Wölfen umzugehen. Und es gibt Bundesländer, in denen sinnvolle und praktikable Wolfsverordnungen bereits umgesetzt werden. Es gibt keinen Grund, von den offensichtlich und nachweislich zielführenden Maßnahmen - wie dem wolfsabweisenden Herdenschutz- abzuweichen.
Der NABU erteilt dem Wolfsverordnungsentwurf der FDP eine klare Absage und appelliert an die Partei, sich stattdessen endlich für einen vernünftigen Herdenschutz einzusetzen. Dies würde den Nutztierhaltern am besten helfen. Mehr →
Vertreter von Jagdlobby und Landwirtschaft, Hobbytierhalter und immer mehr Politiker fordern den Schutzstatus des Wolfs zu verringern. Der NABU lehnt dies entschieden ab. Mehr →